Die Geschichte des Neubrandenburger FranziskanerklostersTeil 2: Der frühe Klosterbau
In den Jahren um 1260 ließ Markgraf Otto III. von Brandenburg als Landesherr und tiefgläubiger Katholik im Bereich seines Stadthofes ein Franziskanerkloster erbauen. Viele deutsche Regenten hatten im Zuge der Armutsbewegung Vertreter der Bettelorden, speziell der Franziskaner und Dominikaner, in ihren Machtzentren angesiedelt. Dort wirkten sie als Geistliche und Seelsorger. Einige von ihnen traten auch als Berater und Diplomaten in Erscheinung. Aufgrund dieser herausragenden gesellschaftlichen Stellung erlangten die Franziskaner großes Ansehen.
Mit Baubeginn des Neubrandenburger Franziskanerklosters errichtete man zunächst eine Saalkirche und den Ostflügel, in dem von Süden aus gesehen offenbar die Sakristei, der Kapitelsaal, das Archiv und die Küche lagen (Bild). Im Obergeschoß befand sich das Dormitorium, der Schlafbereich des Konventes. Das gemeinsame Mahl wurde im Kapitelsaal eingenommen. Die dafür notwendigen Nahrungsmittel wurden von der umliegenden Bevölkerung erbettelt oder für kleinere Dienstleistungen erworben.
Relativ schnell entstand dann an der Kirchennordmauer, an der Ostflügelwestmauer sowie im Norden und im Westen je ein Kreuzgang. Der vierseitige Umgang besitzt sehr genau ausgemessene rechtwinklige Ecken, die für eine planvolle Umsetzung des Bauvorhabens sprechen. An den westlichen Gang stellte man noch im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts einen Raumtrakt, in dem die Franziskaner Hilfesuchende empfingen.
Nördlich des aus Feldstein erbauten Franziskanerklosters entstand zeitgleich ein zweiflügliges Backsteingebäude. Die Zweiflügelanlage stellt aufgrund ihrer baulichen Gestalt und der Ausführung in Backstein einen herrschaftlichen Bau dar, der einen Teil, vermutlich sogar den Kern des Markgrafenhofes repräsentiert. Der nordsüdorientierte Teil beherbergte einen großen Raum, der durch eine im Fußboden eingebaute Luftheizung erwärmt wurde. Demgegenüber existierten im westlichen Teil des westostorientierten Flügels zwei nebeneinanderliegende Wohnbereiche und östlich davon ein Aufenthaltsraum. Die beiden Wohnräume beheizte ebenfalls eine im Boden eingelassene Ofenanlage. Sie sicherte den nötigen Komfort für die adligen Bewohner. Für die Teilnahme am franziskanischen Gottesdienst ging die Herrschaft durch den Westflügel in die Kirche. Höchstwahrscheinlich gab es hier eine Empore, die dem Landesherrn und seinen Gästen vorbehalten war.
Der backsteinerne Zweiflügeltrakt war mit Sicherheit nur ein Teil des Markgrafenhofes, der sich östlich der Stargarder Straße fortsetzte. Wegen der Einzigartigkeit der Zweiflügelanlage kann davon ausgegangen werden, dass hier die markgräfliche Herrschaft abstieg, lebte und regierte. Die Untertanen wurden im Saal des nordsüdorientierten Flügels empfangen. Erforderte die Regierungsarbeit die Ausfertigung schriftlicher Belege, dann übernahmen die Franziskaner die Aufgabe. Die herrschaftliche Kanzleiarbeit wurde im Mittelalter traditionell vom Klerus ausgeführt. Er war schreib- und lesekundig sowie vertraut mit der Landesgesetzgebung. In Neubrandenburg lag das Klosterarchiv wohl deshalb im Nordteil des Ostflügels unweit des Tagungsortes.
Rainer Szczesiak, Roga
Grafik: Franziskanerkloster und markgräflicher Wohnsitz, Teile des Markgrafenhofes um 1290; Mauern: schwarz = nachgewiesen, weiß = vermutet