Die Geschichte des Neubrandenburger FranziskanerklostersTeil 9: Die Zeit des Wandels, 2. H. 20. Jh.
Mai 1945, Neubrandenburg lag in Schutt und Asche. Wie durch ein Wunder hatte der Gebäudekomplex des ehemaligen Franziskanerklosters den Stadtbrand unbeschadet überstanden. Beinahe wäre es an der Nordostecke des Klosters zu Kampfhandlungen mit unabsehbaren Folgen gekommen. Von hier aus wollte man die Panzersperre im Eisenbahntor verteidigen; ein gefährliches Vorhaben, das zum Glück nicht zur Ausführung kam.
Angesichts der katastrophalen Lage in der Stadt dienten die Klosterbauten für viele wohnungslose Neubrandenburger und Flüchtlinge als neue Heimat. Deren Kinder zogen neugierig durch das Trümmerfeld. Eine 1999 im Ostflügelkellergang geborgene Meißner Porzellanfigur mit Brandspuren war bestimmt ein Mitbringsel der Streifzüge.
Obwohl in der Stadt große Wohnungsnot herrschte, empfahl die mecklenburgische Landesregierung bereits 1948, im Kloster eine zentrale Kulturstätte zu errichten. Sie sollte den Verlust der städtischen Kunstsammlung im kriegszerstörten Palais ersetzen sowie bessere Raumbedingungen für das Museum schaffen, das seit 1873 im „altertümlichen“ Treptower Torturm logierte. Dieses Vorhaben konnte nicht verwirklicht werden, weil das Deutsche Rote Kreuz 1951 ohne Kenntnis der Stadt die bis dahin renovierten Räume für die Unterbringung der Insassen des abgebrannten Altenpflegeheimes in Lübbersdorf besetzt hatte. Die improvisierte Belegung dauerte an, bis die dörfliche Pflegeeinrichtung wieder betriebsbereit war. Danach, so legte es ein Ratsbeschluss 1962 fest, sollte das „Museum der Bezirksstadt Neubrandenburg (Kreisheimatmuseum)“ das „Gebäude des Franziskanerklosters“ als neues Domizil erhalten. Noch im gleichen Jahr wurde die Vorplanung für den Museumsstandort in Auftrag gegeben und vom Landkreis Neubrandenburg positiv bestätigt. Aufgrund der herrschenden wirtschaftlichen Zwänge erhielt das Projekt Ende der 1960er Jahre eine neue inhaltliche Ausrichtung. Von nun an arbeitete der Rechenbetrieb Binnenhandel der Zweigstelle Neubrandenburg im Nordflügel. Ein unüberlegter Entschluss, da sich das schlechte Klima in den historischen Räumen sehr negativ auf die sensible Rechentechnik auswirkte. Der Westflügel war indes für die ostdeutsche Handelsgesellschaft KONSUM reserviert. Neben einem Bürotrakt plante man hier die Einrichtung einer „Charaktergaststätte“ im historischen Ambiente.
Wegen der schlechten baulichen Zustände musste die Klosteranlage in den 1970er Jahren umfassend in Stand gesetzt werden. Gleich zu Beginn der Bauarbeiten wurden die maroden Fachwerkfassaden des Westflügels (Bild) gänzlich durch Ziegelmauern ersetzt. Hier befanden sich Arbeitsplätze der Stadt und Konsumgenossenschaft, ohne Gastronomie. Später ging der Westflügel in den Besitz der Ev.-Luth. Kirchgemeinde St. Johannis über. Einen weiteren Sanierungsfall stellte die St. Johanniskirche dar. Sie wurde renoviert und den neuen Erfordernissen baulich angepasst. Dabei entstanden eine Orgelempore und Winterkirche mit dazugehörigen Funktionsräumen.
Die Neugestaltung des Nordflügels lag in den Händen des Architekten Peter von Hanstein. Bei der Fertigstellung des Backsteinbaus 1979 gab es ein Nutzungskonzept, in dem das Museum keine Rolle mehr spielte. Das Erdgeschoss beherbergte das Standesamt mit angeschlossener Traustätte. Im Ober- und Dachgeschoss existierten kommunale Arbeitsräume sowie ein repräsentativer Ratssitzungssaal. Gleichzeitig erhielt der Klosterhof eine neue Gestaltung. Die mit Fliesen ausgelegte und begrünte rechteckige Fläche zierte in zentraler Lage ein Springbrunnen.
Letztmalig setzte sich der Baudenkmalpfleger Paul Schumacher für die museale Nutzung des Klosters ein. Seine Vision, idealerweise Kunst und Geschichte in dem historischen Gemäuer zu präsentieren, scheiterte. Dieser Gedanke sollte erst wieder nach der Wiederherstellung der Deutschen Einheit auf die Tagesordnung kommen.
Rainer Szczesiak, Roga
Bild: Der Westflügel vor dem Umbau 1967 (Foto Reinhard Doherr, Neubrandenburg).