Der Opferstock aus der Neubrandenburger Johanniskirche, um 1500

Die Spende finanzieller Mittel hat in der geistlichen Welt seit alters her einen hohen Stellenwert. Für die Sammlung mildtätiger Gaben existieren in christlichen Gotteshäusern an markanter Stelle abschließbare Behältnisse, die allgemein als Opferstock bezeichnet werden. Der Namenszusatz „Stock“ verweist auf urtümliche, aus einem hohlen Holzstamm gefertigte Truhen. Der spätmittelalterliche Geldkasten aus der Johanniskirche gelangte 1872 bei der Entfernung alten Sakralgutes in das Neubrandenburger Museum.

 

Das regional gefertigte Kirchenobjekt von 72 cm Höhe besteht aus zwei konstruktiven Holzelementen, die durch massive Eisenbänder miteinander verbunden sind. Die Basis bildet ein massiver Eichenblock, der aufgrund seines Gewichtes für Festigkeit und damit auch für Sicherheit sorgte. Die vier Ecken des Unterbaus sind zur Zierde abgeschrägt. Darüber sitzt ein mit reichlich eisernem Beschlagwerk überzogener Eichenkasten. An der Vorderseite ist ein robuster Riegel angebracht, der mittels eines Vorhängeschlosses arretiert wurde. Im Deckel sind zwei eiserne Geld-trichter eingelassen. Sie münden in einen einheitlichen Innenraum. Vermutlich sollten zwei Einwürfe den zahlreichen Gemeindemitgliedern beim Kirchenbesuch ein zügiges Spenden ermöglichen. Der Kasten beherbergt neben der geräumigen Geldkammer eine seitlich eingesetzte Schatulle. In ihr wurde mit großer Wahrscheinlichkeit Schreibzeug für die Dokumentation der Einnahmen aufbewahrt.

 

Die Sitte, in geistlichen Zentren materielle Werte für unterschiedlichste Zwecke zu sammeln, ist seit dem Altertum bekannt. Der Ertrag wurde hauptsächlich für den Erhalt der Religionsgemeinschaft sowie für die Versorgung Bedürftiger eingesetzt. Ein früher Hinweis, der den Gebrauch eines Spendenbehältnisses dokumentiert, liegt aus dem jüdischen Tempel in Jerusalem vor (Mk 12,41-44). In der christlichen Welt dient die Beschenkung des Jesuskindes durch die Weisen aus dem Morgenland als Leitmotiv des Handelns (Mt 2,11). Eine Tradition, die sich bis in unsere Tage jedes Jahr zu Weihnachten wiederholt. Die römische Kirche nutzte den religiösen Charakter der individuellen Gabe für eigene Zwecke. Papst Innozenz III. ließ 1213 in den Kirchen Opferstöcke aufstellen, mit denen Geld für den fünften Kreuzzug gesammelt wurde. Weil später Münzen gemäß der Losung „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“ zum Erwerb des Seelenheils reichlich flossen, löste Martin Luther mit seiner Kritik am päpstlichen Handeln die Reformation aus. Luther bezeichnete den Opferstock in seiner Bibelübersetzung als „Gotteskasten“, der nach evangelischem Verständnis ein Hort der Nächstenliebe, ein Sammelbecken für die Versorgung Bedürftiger wurde.

 

 

Text: Rainer Szczesiak, Roga

 

Bild: Ralf Buse, Regionalmuseum Neubrandenburg

 

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