SakralobjekteEin spätromanischer Kirchenleuchter aus Zachow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte

In der Fachwerkkirche von Zachow, die der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Ballwitz angehört, ist ein außergewöhnlich interessanter Kerzenleuchter überliefert. Das historische Sakralobjekt wurde im Gotteshaus bei Sanierungsarbeiten entdeckt. Wahrscheinlich hatte man den Gemeindebesitz während des Dreißigjährigen Krieges verborgen. Eine Sicherungsmaßnahme, die zur „Schatzbildung“ führte, weil die Eigentümer der Preziose die unruhige Zeit nicht überlebten.

 

Über die Herkunft des einzigartigen Zeugnisses früher christlicher Kultur in unserer Region kann nur spekuliert werden. Es entstammt einer Epoche, in der die Landesherren von Pommern und Brandenburg die von heidnischen Slawen besiedelte Region am Tollensesee annektierten. Danach warben die Regenten deutsche Bevölkerung an, deren westeuropäisch geprägte Kultur, Religion und Lebensweise das Neuland erblühen ließ. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Kirchenleuchter über die Zisterzienserinnen-Abtei Wanzka nach Zachow kam. Das Dorf zählte zur Grundherrschaft der Ordensniederlassung. Möglicherweise brachte ein von Wanzka aus bestellter Priester geistliche Geräte für den Kirchenbetrieb in die Pfarrei. Dass der Kerzenhalter in Gebrauch war, belegen alte Wachsreste auf der Außenseite.

 

Der 16,9 cm hohe Leuchter besteht aus vier einzelnen Teilen. Der stabförmige Lichtdorn, auf dem die Tropfschale sowie ein Zierring (Nodus) lose stecken, ist mit dem dreifüßigen Unterteil vernietet. Die einzelnen Bestandteile sind meisterhaft aus Bronze im Wachsausschmelzverfahren gegossen. Leuchter dieser Art haben im römisch-deutschen Reich eine weite Verbreitung gefunden. Man nimmt an, dass sie in einer westfälischen Werkstatt um 1200 gefertigt wurden. Vergleichbare Stücke liegen u. a. aus der Leipziger Thomaskirche und dem Hildesheimer, Minder, Trierer, sowie Prager Dom vor. Offensichtlich gehörten die qualitätsvollen Kandelaber zum gehobenen Inventar der Bischofskirchen. Typisch für diese Leuchterform ist der durchbrochen gestaltete, reich verzierte Untersatz. Das Ornament zeigt fein gerippte, in sich verschlungene Ranken, die geflügelte Drachen- oder Echsengestalten durchziehen. Die Köpfe der stilisiert dargestellten Tiere sitzen auf den drei Erhöhungen der Leuchterecken. Von dort aus richten sie ihren Blick nach unten, zu den klauenartigen Füßen.

 

Das spätromanische Dekor verkündet in der Gesamtkomposition eine wichtige religiöse Botschaft. Hauptinhalt ist der Sieg des Lichtes über die Finsternis, ein Element des Bösen. Für die Darstellung der Dunkelheit nutzte man sinnbildlich lichtscheue Geschöpfe wie Schlangen oder Echsen. Das niedere, sich auf der Erde windende Getier wurde deshalb bewusst auf dem Leuchterunterteil angebracht. Über ihnen thront das Licht Gottes. Die Spiritualität des Lichtes ist ein wesentliches Element der Christenheit. In der Bibel heißt es: „Der Herr ist mein Licht …“ (Ps. 27), und Jesus sprach: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des Lebens haben.“ (Joh. 8,12)

 

In der christlichen Liturgie verkörpert das Kerzenlicht den göttlichen Geist. Seit der Antike werden Lichter bei Prozessionen und gottesdienstlichen Handlungen verwendet. Ein besonderer Bedeutungsträger dabei ist die Osterkerze.

 

Das Entzünden von Kerzen ist in vielen Kulturen fester Bestandteil religiöser Bräuche. Im Austausch untereinander fanden sie Eingang in die Volksfrömmigkeit. Erinnert sei an die Lichter der Adventszeit. Ausgehend von der evangelischen Jugendbewegung setzte sich seit dem Ersten Weltkrieg allmählich der Gebrauch des Adventskranzes mit zunehmender Lichterzahl durch. Diese spezielle Lichtsymbolik ist heute bei Christen und Nichtchristen weit verbreitet.

 

Rainer Szczesiak, Roga

 

Bild: Der im Kreuzgang des Klosternordflügels präsentierte Zachower Bronzeleuchter ist ein Leitobjekt der stadtgeschichtlichen Ausstellung (Foto: Regionalmuseum Neubrandenburg).

 

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