Wahl zum mecklenburgischen Landesbischof Im Gespräch mit Andreas von Maltzahn
25.03.2007 · Schwerin. Auf dem Programm der mecklenburgischen Frühjahrssynode steht die Wahl eines neuen Bischofs. Der Wahlausschuss wird zwei Kandidaten der Synode vorschlagen: Propst Andreas von Maltzahn aus Wismar, und Kirchenrat Martin Scriba aus Retgendorf bei Schwerin. Mit beiden sprach Tilman Baier. Bedingung für diese Interviews war, dass keine Fragen zu aktuellen kirchenpolitischen Themen gestellt werden.
Propst v. Maltzahn, welche Aufgaben des Bischofsamtes reizen Sie besonders?
In erster Linie ist das die Begleitung der Mitarbeitenden, aber auch die Aufgabe, gemeinsam mit anderen Gestalt und Weg unserer Kirche zu prägen. Ich sehe verschiedene Herausforderungen:
Vor allem muss es uns um die Verwurzelung in Gott gehen – persönlich, als Gemeinde und als Landeskirche. Denn ist die Wurzel gesund, kann es dem Baum so schlecht nicht gehen. Ich wünsche mir daher eine Kirche, die sich nicht so sehr mit sich selbst beschäftigt oder sich gar in Sorge um ihre Selbsterhaltung erschöpft, sondern die brennt in ihrer Sehnsucht nach Gott und von hieraus ihre Verantwortung in der Welt erkennt.
Sodann: Wie können wir den Glauben weitergeben in einer Zeit zunehmender Traditionsabbrüche, aber auch neu erwachenden religiösen Suchens? Wirklich erkennbar zu sein als Kirche mit unseren geistlichen Schätzen, neue Wege zu gehen, um Menschen mit und ohne kirchliche „Vorbildung“ spirituelle Erfahrungen zu ermöglichen, ihnen die Vernünftigkeit des Glaubens durch gute Bildungsangebote nahe zu bringen – hier miteinander die Möglichkeiten zu entdecken reizt mich.
Was hat Sie bewogen, Theologie zu studieren und Pastor zu werden?
Als Abiturient wusste ich, dass ich gern etwas für Gott tun und mit Menschen arbeiten wollte. Ich war jedoch nicht sicher, ob ich das als Arzt, Musiker oder Pastor tun sollte. Während meiner Bausoldatenzeit, in der ich Christen aus unterschiedlichen Konfessionen erlebte, wurde mein Fragen nach Gott so existentiell, dass ich beschloss, der Sache so weit wie möglich auf den Grund zu gehen.
Ich habe es nie bereut, Theologie zu studieren – ging es doch den ganzen Tag um die spannendesten Fragen der Welt! Bei der Arbeit an meiner Promotion wurde mir bald klar, dass ich nicht für diese Art akademischer Theologie leben, sondern in die Gemeinde gehen wollte.
Welche Theologen haben Sie besonders geprägt?
Schon im Studium fand ich es reizvoller, das Wahrheitsmoment der verschiedenen theologischen Entwürfe zu entdecken, als die Position einer Richtung „durchzureiten“. Nach wie vor beschäftigt mich die Tradition der Mystiker – in ihrer ganzen Bandbreite von Meister Eckart bis hin zu Dorothee Sölles „Mystik und Widerstand“. In meiner Arbeit als Gemeindepastor haben mich besonders Dietrich Bonhoeffer und Fulbert Steffensky inspiriert.
Was ist heute Ihr Leitbild von Kirche und Gemeinde – und wie lässt es sich umsetzen?
Nicht umsonst bieten Bibel und Kirchengeschichte für unterschiedliche Situationen auch verschiedene Leitbilder an. Aber wenn ich eines herausheben soll: Ich wünsche mir, dass unsere Kirche aus der Freiheit des wandernden Gottesvolk lebt – offenen Herzens für den vorausgehenden Herrn, durch die dünne Haut der Zelte hindurch empfindsam für das Leben um uns herum. Ich wünsche mir eine Kirche, in der es weder eng noch beliebig zugeht, sondern die ihre Sicht der Wahrheit selbstbewusst ins Gespräch der Weltanschauungen und Religionen einbringt.
Wie sich das umsetzen lässt? Ich glaube, es geht dabei nicht so sehr um Gemeindeaufbauprogramme, sondern vor allem um gelebte Nachfolge. Im Kern ist das die Frage, ob wir gewillt sind – persönlich wie als Kirche – Gott wirklich mehr zu vertrauen als uns selbst.
Was darf ein Gemeindeglied von Ihnen als Bischof erwarten?
Sicherlich nichts Übermenschliches. Aber ich finde, Gemeindeglieder dürfen erwarten, dass man als Bischof hellwach bleibt für ihre Lebensumstände und gegebenenfalls gesellschaftliche oder kirchliche Missstände mutig anspricht.
Zugleich kann es die Einzelnen stärken, wenn es dem Bischof gelingt, der Schönheit und Lebenskraft des Glaubens in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Wir sind als Christen eben nicht ein bisschen „zurückgeblieben“, sondern haben Wegweisendes zu sagen im Blick auf den Sinn unseres Daseins.
Und was kann die Mitarbeiterschaft von Ihnen erwarten?
Ich habe als Pastor die unterschiedlichen Verhältnisse einer ostmecklenburgischen Landgemeinde und einer westmecklenburgischen Stadt kennen gelernt. Angesichts der zunehmend angespannten Arbeitssituation brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Entlastung und Bestärkung. Da kann ein Bischof manches mit auf den Weg bringen – indem er zum Beispiel ein gutes Gewissen macht für den reflektierten Mut zur Lücke. Weil eben nicht mehr alles zu schaffen ist, müssen wir lernen, Dinge zu lassen, wenn sie nicht delegierbar sind.
Unabhängig davon bedarf es über kurz oder lang wohl Springerstellen für Regionen, wo durch unvorhergesehene Ausfälle die kirchliche Grundversorgung nicht mehr gewährleistet ist. Ich wünsche mir außerdem eine wachsende Kultur der Wertschätzung untereinander: In diesem Beruf, in dem man oft die Früchte seiner Arbeit nicht sieht, tun Rückmeldungen der Schwestern und Brüder gut.
Ich möchte auch zu heilsamen Unterbrechungen ermutigen: Zweckfreie Gottesgedanken an jedem Tag, Sabbatzeiten in jeder Woche, Einkehr- oder Fortbildungszeiten in jedem Jahr, Seelsorge bzw. Supervision nicht erst, wenn es zu spät ist – das sind wir nicht nur uns selbst und unseren Familien schuldig, sondern auch unseren Gemeinden.
Welche Hobbys haben Sie?
Schwimmen, Wasserwandern, Lesen, gute Filme und von Kindesbeinen an Hansa Rostock.
Welches Buch haben Sie gerade auf dem Nachttisch liegen?
Da liegen einige Bücher. Zur Zeit lese ich Richard Powers’ „Das Echo der Erinnerung“ und „Jesus im Spiegel der Weltliteratur“ von Karl-Josef Kuschel.
Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung