Theologischer Tag der Nordkirche widmete sich einem Streitthema Pfarrhaus in der Kontroverse
Von Sven Kriszio
06.10.2013 · Schwerin. Das evangelische Pfarrhaus, über Jahrhunderte hinweg das identitätstiftende Zentrum des evangelischen Glaubens, befindet sich im Umbruch. Wie erleben Pastorinnen und Pastoren diesen Wandel? Welche Probleme haben Gemeinden mit ihren Pfarrhäusern? Ein Theologischer Tag, zu dem die Nordkirche eingeladen hatte, sollte Stimmen sammeln und für mehr Klarheit sorgen.
Wie sehr das Thema allen Betroffenen unter den Nägeln brennt, bewies schon allein die große Zahl von Teilnehmern: Mehr als 250 Pastoren, kirchliche Mitarbeitende und weitere Interessierte beteiligten sich an der Veranstaltung, die vorletzte Woche im Ratzeburger Dom und im Ratzeburger Pastoralkolleg stattfand. Das Thema lautete: „Ich und mein Haus – Vom heutigen Leben im Pfarrhaus“. Eingeladen hatten das Landeskirchenamt der Nordkirche und das Pastoralkolleg.
Unter anderem wurde die neue Studie „In der Kirche ist es kalt, im Pfarrhaus ist es warm“ vorgestellt. Sie sorgte gleich zu Beginn für einige Überraschungen. Denn der Erhebung zufolge wird die Bedeutung des Pfarrhauses in der Kirche überschätzt. Das Pfarrhaus habe seine Vorbildfunktion und gesellschaftliche Prägekraft vor allem in der Stadt längst verloren, sagte der Sozialwissenschaftler Christian Hartmann von der „Beratergruppe Hohenzollern Sieben“, der die Studie im Auftrag des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD erstellt hatte. „Viele Städter wissen nicht, wo der Pfarrer wohnt.“ Auch als Ort der Kontaktaufnahme und Seelsorge spiele das Pfarrhaus mittlerweile eine eher untergeordnete Rolle, so Hartmann weiter. Anders sei es im dörflichen Kontext. „Der wunderschöne Anblick der Ensembles aus Kirche und Pfarrhaus würde vielen Menschen fehlen.“
Die Studie, die die Nordkirche ursprünglich in Auftrag gegeben hatte, ergab jedoch auch, dass das Pfarrhaus bei Kirchenfernen wie Kirchennahen weiterhin hohe symbolische Bedeutung hat. „Die Menschen wissen: Hier ist der letzte Ort des Helfens, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.“ Das Pfarrhaus und mit ihm der Pfarrer sei – gewissermaßen idealtypisch – „die letzte Instanz sozialer Wärme in unserer Gesellschaft“.
„Ich bin überrascht, welche geringe Bedeutung das Pastorat bei der Kommunikation des Evangeliums zu haben scheint“, merkte Gothard Magaard an, der Bischofsvertreter im Sprengel Schleswig und Holstein. Ilona Nord, Juniorprofessorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg und Pfarrhaus-Expertin, wies darauf hin, dass die Repräsentativität der Studie durchaus infrage zu stellen sei. Das Sozialwissenschaftliche Institut ließ nämlich nur 48 zufällig ausgewählte Menschen an sieben Orten der Nordkirche befragen. Aus den Kernsätzen der Befragten haben die Autoren ihre Thesen abgeleitet – für sie aussagekräftig und allgemeingültig genug.
Im Anschluss diskutierten die Teilnehmer des Theologentages in verschiedenen Foren über Themen wie Lebensformen im Pfarrhaus und das pastorale Selbstbild, sie tauschten sich über ihre Probleme mit der Dienstwohnungspflicht aus, sprachen über den planvollen Umgang mit Pfarrhäusern in Abhängigkeit von der Gemeindeentwicklung – und vieles mehr. Die Ergebnisse dieses Austausches sollen in die weitere Diskussion über Pfarrhäuser einfließen.
Ob die Nordkirche dabei zu individuelleren Lösungen gelangen könnte, als es Gesetze bisher zulassen, ließ Oberkirchenrat Heiko Naß, Dezernent für Theologie im Landeskirchenamt, offen. „Wir brauchen kluge Lösungen, um die Erwartungen der Menschen und die Wünsche der Pastorinnen und Pastoren besser in Einklang zu bringen.“ Auf der Grundlage der Residenzpflicht sei es Teil der Lösung, die richtigen Leute am richtigen Ort einzusetzen.
Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 40/2013