Gesang für die Augen Der Rostocker Gebärdenchor "Singende Hände" trägt stumme Lieder vor

Von Anne-Dorle Hoffgaard

Der Gebärdenchor "Singende Hände" probt Weihnachtslieder

© epd

18.12.2014 · Rostock. Einer der außergewöhnlichsten und kleinsten Chöre in Mecklenburg-Vorpommern probt jeden Mittwoch in Rostock. Die "Singenden Hände" sind ein Projekt der Gehörlosenarbeit im evangelischen Kirchenkreis Mecklenburg. Am Sonnabend ist der nächste Auftritt.

Es ist eng im Probenraum der "Singenden Hände", einem der außergewöhnlichsten und kleinsten Chöre in Mecklenburg-Vorpommern. Jeden Mittwoch ab 14 Uhr wird das nur etwa 20 Quadratmeter große Büro der Mecklenburger evangelischen Gehörlosenseelsorge im "Gemeinsamen Haus" in Rostock-Evershagen vom Gebärdenchor genutzt. Zwischen Regalen, einem Schreibtisch und zwei weiteren Tischen sowie zwischen ein paar Kartons und Plastikkisten mit verschiedenen Arbeitsmaterialien haben sich zwei gehörlose Männer und zwei gehörlose Frauen aufgestellt, um unter der Leitung von Antje Hebst (37) Lieder einzustudieren.

Zwei Lieder werden diesmal für die Weihnachtsfeier der Gebärdengemeinschaft MV geübt. Am Sonnabend (20. Dezember) will der Chor in der Begegnungsstätte "Fischkutter" in Rostock-Toitenwinkel "O Tannenbaum" und "Wir sagen euch an den lieben Advent" vortragen. "Gesungen" wird dabei nicht mit Musik, sondern in der seit 2002 in Deutschland als eigenständige Sprache anerkannten Gebärdensprache, also mit den Händen. "Wichtig ist die Mimik und Bewegung dabei", erläutert Antje Hebst. Und natürlich auch, dass das Gebärden synchron erfolgt.

Als sich die aus Thüringen stammende und selbst schwer hörbehinderte Antje Hebst vor fünf Jahren bei der mecklenburgischen Gehörlosenseelsorge um eine halbe Stelle bewarb, war sie auch gefragt worden, ob sie sich vorstellen könne, den ersten und immer noch einzigen Gebärdenchor in MV aufzubauen, erinnert sich die gelernte Sozialassistentin Hebst. Sie wolle es versuchen, habe sie geantwortet. "Und dann hat es auch geklappt."

Zehn Mitglieder hatte der Chor anfangs, heute sind es nur noch sechs Rostocker, vier Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 37 und 71 Jahren. Die anderen vier "Sänger" hätten keine Zeit mehr gehabt, sagt Hebst, die neben ihrer Arbeit als Chorleiterin viel in Mecklenburg unterwegs ist, um hörbehinderte Menschen zu betreuen.

Auf die Frage, warum sie sich bei den "Singenden Händen" engagieren, sagen Astrid Zielske (59) und Chris Berger (52), sie wollten anderen Menschen die Gehörlosenkultur zeigen. Denn der Gebärdenchor präsentiert sich nicht nur vor Menschen mit einer Hörbehinderung. Im September hätten die Rostocker "einen tollen Auftritt" in der Lübecker Hauptkirche St. Marien gehabt, sagt die Hamburger Gehörlosenseelsorgerin Pastorin Systa Ehm, in deren Gehörlosengemeinde es auch einen Gebärdenchor gibt. Für den Hamburger Chor komme ein Mitglied extra aus Bremen und ein anderes aus Lüneburg (Niedersachsen), sagt die evangelische Theologin. "Viele gehörlose Menschen legen weite Wege zurück, um andere Gehörlose zu treffen."

Etwa fünf bis zehn Auftritte pro Jahr hat der Rostocker Chor "Singende Hände". Einer ist Anfang Juni 2015 auf dem evangelischen Kirchentag in Stuttgart geplant. Auch beim bundesweiten Treffen der Gebärdenchöre im Herbst 2015 in Berlin wollen sie dabei sein.

Doch nun gilt es erst mal, immer wieder die beiden Lieder für die Weihnachtsfeier am Sonnabend zu üben. Dass "Gott" gemeint ist, wenn die drei nach oben hin ausgestreckten Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand gebärdet werden, leuchtet schnell ein. Schließlich weist dies auf die Dreieinigkeit Gottes hin. Auch der im rechten Winkel zum Körper gerade aufgerichtete rechte Unterarm, gestützt durch die linke Hand, lässt selbst einem in der Gebärdensprache ungeübten Zuhörer erkennen, dass hier das Wort "Baum" dargestellt wird.

Quelle: epd



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