Erster Synodenbericht Landesbischof Ulrich: Die Kirche hat in der Gesellschaft keine Sonderrechte mehr

Landesbischof Gerhard Ulrich hält ersten Bericht vor der Synode

© Nordkirche/S. Stöterau

27.02.2014 · Lübeck-Travemünde. Nordkirchen-Landesbischof Gerhard Ulrich hat auf einen zunehmend veränderten Umgang mit der Kirche in der Gesellschaft hingewiesen. Der Kirche würden "keine Sonderrechte mehr zuerkannt", sagte Ulrich vor der in Lübeck-Travemünde tagenden Landessynode.

Alles, was nach "Sonderrechten" aussieht, werde angefragt und angeklagt. Ulrich verwies dabei auch auf den Einzug der Kirchensteuern durch staatliche Behörden, Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und die Staatsleistungen für die Kirche. Allein in Schleswig-Holstein bekommt die evangelische Kirche pro Jahr 12 Millionen Euro Staatsleistungen vom Land. Insbesondere aus Reihen der FDP werde dies immer wieder kritisch hinterfragt. Nach den Worten Ulrichs geht es aber bei den finanziellen Zuwendungen an die Kirchen und der mit dem Staat vereinbarten "Ewigkeitsklausel" in den Verträgen nicht um Privilegien, "sondern um ein demokratisches und freiheitliches Verständnis von Staat und Gesellschaft". Der Hinweis auf die Gültigkeit des Grundgesetzes werde hier kaum noch zur Kenntnis genommen, beklagte der Bischof.

Die zunehmende Distanz zur Kirche hänge auch damit zusammen, dass in Parteien und Behörden, in Landesregierungen und Kommunalverwaltungen Menschen arbeiten, die oft schon in der dritten Generation ohne Verbindung zur Kirche leben. "Für sie ist Kirche schlichtweg nichts Besondere mehr", sagte Ulrich. Die Kirche werde nur nach dem beurteilt, "was sie hier und jetzt, in dieser oder jener Einzelfrage und Einzelthematik einzubringen hat oder vertritt".

"Wir brauchen mehr Realitätsbewusstsein”

In seinem Bericht mahnte der Landesbischof daher „mehr Realitätsbewusstsein“ an. So sei es mittlerweile Realität, „dass wir von außen, in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung, aber auch im Bewusstsein vieler Menschen nicht mehr als ‚Volkskirche‘ wahrgenommen werden.“ Am Selbstverständnis der evangelisch-lutherischen Kirche habe sich nichts geändert „und wird sich nichts ändern: Wir wollen nicht nur für einige da sein, sondern als Gemeinde Jesu Christi und als Landeskirche wollen wir für alle da sein, die in diesem Land mit uns leben, sagte Ulrich.

Zum Thema „Bedeutungsverlust“ müsse differenziert argumentiert werden. „Es mag sein, dass in der Wahrnehmung vieler Menschen die Kirche als Institution an Bedeutung verliert. Aber wenn wir in diese Analyse einfach nur einstimmen, wenn wir sie auch als Binnenüberzeugung übernehmen, dann erst erfüllt sich die Rede vom Bedeutungsverlust“, so Ulrich. „Es kommt darauf an, dass wir selbst überzeugt sind, bedeutend zu sein für diese Gesellschaft, unverzichtbare Stimme in den Debatten der Zeit. Daran haben wir zu arbeiten, theologisch, seelsorgerlich, lehrend: selbst-bewusst!“

"Volkskirche" als Minderheit für alle

Die Kirche werde ihre Identität nicht darin finden, „dass wir diejenigen, die nicht zu uns gehören und nicht zu uns gehören wollen, als defizitär betrachten. Sondern wir werden wahrnehmen müssen: Auch die, die nicht zu uns gehören, erkennen durchaus, wie wichtig wir als Kirche für einzelne und für die Gesellschaft insgesamt sind. Da bekommt der Begriff ‚Volkskirche‘ plötzlich eine ganz neue Bedeutung: Kirche als Minderheit für alle; sie ist nicht identisch mit der Bevölkerungszahl, sondern bedeutsam für die Bevölkerung, egal ob Kirchenmitglied oder nicht.“

Quelle: Nordkirche/epd



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