Papierne "Grabsteine" In der Wismarer Nikolaikirche gibt es ein "Buch der Erinnerung" für anonym Bestattete
Von Anne-Dorle Hoffgaard
23.11.2014 · Wismar. Wer anonym beerdigt wird, hat keinen Grabstein und damit keinen Ort der öffentlichen Erinnerung. Um das Andenken an die Verstorbenen in der Stadt dennoch zu wahren, gibt es in der Kirche St. Nikolai in Wismar ein besonderes Buch.
Damit die Namen von anonym oder auf See Bestatteten nicht aus dem öffentlichen Raum verschwinden, hat Wismar seit 2013 ein "Buch der Erinnerung". Es liegt in einer sanierten Nische der Johanna-Kapelle im südlichen Chorumgang der evangelischen Nikolaikirche aus. 30 Verstorbene sind bislang auf Antrag von Verwandten oder Freunden in dem Buch verzeichnet. Für jeden Toten gibt es ein Gedenkblatt im Format A 4, das seinen Namen sowie Daten und Orte seiner Geburt und seines Todes enthält. Manche von ihnen starben bereits vor mehr als zehn Jahren.
Für die kostenlose Eintragung ins Buch gebe es keinerlei Grundvoraussetzungen, sagte Pastor Stephan Meyer. Auch eine Kirchenmitgliedschaft ist nicht erforderlich. Einmal im Quartal werden weitere Namen im feierlichen Rahmen aufgenommen. Die nächste Andacht dafür ist am 7. Dezember (zweiter Advent) im Anschluss an den Gottesdienst gegen 11.30 Uhr geplant. Dann sollen drei Verstorbene hinzukommen, sagte der evangelische Theologe, der den noch in Sabbatzeit befindlichen Gemeindepastor von St. Nikolai, Roger Thomas, vertritt.
Roger Thomas hatte auch die Idee zu den papiernen "Grabsteinen". Auf der Internetseite www.kirchen-in-wismar.de erläutert der Gemeindepastor den Zweck des "Buches der Erinnerung". Es sei eine Reaktion darauf, dass es immer mehr anonyme Bestattungen ohne spätere Grabsteine gebe, heißt es dort. Die Kirche finde es wichtig, "dass die Erinnerung an verstorbene Menschen im öffentlichen Raum lebendig bleibt". Kirchen seien die Orte, "wo das Gedächtnis an die Verstorbenen bewahrt wird". Für Tote ohne Grabstein "haben wir diesen Ort der öffentlichen Erinnerung, Trauer, Dankbarkeit und Würdigung eingerichtet".
Dass anonyme Bestattungen auch in der Hansestadt Wismar eine große Rolle spielen, bestätigen Zahlen der Stadtverwaltung: 2012 erfolgten 322 der insgesamt 529 Bestattungen auf dem Wismarer Friedhof anonym. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 567 Menschen beerdigt, davon 363 anonym.
In gebundener Form und laut Pastor Meyer "sehr schön gestaltet", befindet sich das Original-Buch im Gemeindebüro, während es in der Nikolaikirche als Lose-Blatt-Sammlung ausliegt. Wer die Namen von verstorbenen Angehörigen oder Freunden in diese Publikation aufnehmen lassen möchte, kann dazu eine Karte ausfüllen. Sie liegt bei Bestattern aus und ist im Gemeindebüro von St. Nikolai erhältlich.
Quelle: epd