Nordkirche feiert friedliche Revolution Predigten zum Mauerfall - Bischöfe tauschen Kanzeln
10.11.2014 · Schwerin. Mit sechs zentralen Gottesdiensten, vielen Andachten und Diskussionsveranstaltungen hat die Nordkirche am Sonntag (9. November) an die friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR im Herbst 1989 erinnert. Die Bischöfe predigten bei einem Kanzeltausch in den Gotteshäusern ihrer Kollegen.
Im Ökumenischen Gottesdienst im Schweriner Dom hielten Nordkirchen-Landesbischof Gerhard Ulrich und der katholische Diözesanadministrator Ansgar Thim (Erzbistum Hamburg) eine gemeinsame Predigt. Das Wort Gottes befreie "von Duckmäusertum und Angst", sagte Ulrich mit Blick auf die Demonstranten, die vor 25 Jahren die friedliche Revolution einläuteten und in den Kirchen Zuflucht und Ermutigung fanden.
Thim verwies auf den damaligen Ruf der Mensch auf den Straßen: "Wir sind das Volk." Die mit diesen Worten verbundene gewaltlose Macht habe die Mauern eines Unrechtsstaates einstürzen lassen. "Wir glauben, dass Gott die Macht und den tatsächlichen Willen auch heute hat, seine frohe Botschaft gegen das Böse in dieser Welt durchzusetzen", betonte der katholische Theologe. Thim war damals Kaplan in Schwerin. "Mit vielen tausenden Demonstranten - mit Kerzen in der Hand, gestärkt durch das Friedensgebet - demonstrierten wir auf den Straßen", schilderte er die Ereignisse.
Nach den den Worten von Ulrich könne das Wort Gottes nicht eingemauert werden, "weil keine Mauer die Sehnsucht nach Recht und Freiheit und Schalom, Frieden, halten kann". Es befreie zu einer Haltung, "die den Aufstand wagt gegen allen Kleingeist, gegen Mitläufertum". Daran zu erinnern, sei dringend nötig, betont der evangelische Theologe und verwies auf Fremdenhass, Gewalt und Terror, Vertreibung und Mord.
Bischöfe tauschen Predigtstätten
Der Schweriner Bischof Dr. Andreas von Maltzahn verwies im Schleswiger Dom auf den biblischen Predigtext "Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit". "Dieser Geist steht uns bei in den wichtigen Veränderungen, die vor uns liegen", so der Bischof. Er verwies auf die Energiewende und den Umgang mit Flüchtlingen. In dem Gottesdienst sprach auch die erste Rabbinerin Jerusalems, Ada Zavidov aus der reformierten jüdischen Gemeinde Kehilat Har El. Sie ist Gast im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg, der mit der Har El-Gemeinde eine Partnerschaft hat unterhält.
Die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR wurde auch vom Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit gewürdigt. Er predigte im Dom zu Lübeck zu einem Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium: "Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen." Es gehöre eine gehörige Portion Mut dazu, sanft zu sein angesichts mancher Formen von Gewalt, sagte der Bischof.
Der Schleswiger Bischof Gothart Magaard predigte im Doberaner Münster. Die deutsche Wiedervereinigung sei nicht ohne Schmerzen abgegangen, sagte er. "Der Bankrott eines real-existierenden Systems schafft nicht nur Gewinner. Es gibt auch eine Kälte in der Freiheit, die manchen frösteln ließ und lässt", mahnte der Bischof. Der Kapitalismus habe auch seine hässlichen Seiten.
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs bezeichnete im Greifswalder Dom die friedliche Revolution als ein Wunder. "Jeder Mensch war doch im Innersten berührt und hat gefühlt, dass hier eine Macht wirkte, die das Menschliche sprengt", sagte sie. Fehrs gestaltete den Gottesdienst gemeinsam mit Dompastor Matthias Gürtler. Er war vor 25 Jahren in der friedlichen Revolution als Pastor in Eberswalde aktiv und gehörte zur Auflösungskommission der Stasi in Frankfurt/Oder. Die in den Kirchen gestartet Bewegung "Schwerter zu Pflugscharen" hatte nach seinen Worten erheblich dazu beigetragen, dass am 9. November die Mauer fiel.
Gottfried Timm: Sehnsucht nach Freiheit in die eigenen Hände genommen
In der Hauptkirche St. Jacobi in Hamburg predigte Gottfried Timm (SPD), ehemaliger Innenminister von Mecklenburg Vorpommern. Er erinnerte an den Abend des 9. November 1989, den er in der mecklenburgischen Kleinstadt Röbel am Ufer der Müritz erlebte. Als Pastor gehörte er dort zu den Organisatoren der Demonstrationen gegen die DDR-Führung, die dort immer donnerstags stattfanden. Über 3.000 Kinder, Familien und Ältere, Christen und viele Nichtchristen zogen durch die Dämmerung des Abends von der Marienkirche in das Stadtzentrum. Sie alle hätten gespürt, dass die SED-Diktatur aus den Fugen gerät, so Timm.
Die Gottesdienste waren zugleich Auftakt zur diesjährigen Ökumenischen Friedensdekade unter dem Motto "Befreit zum Widerstehen?. Während des Gottesdienstes im Schweriner Dom wurde auch zum Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 um vor der Schweriner Synagoge auf dem Schlachtermarkt eingeladen.
Quelle: epd/Nordkirche/kmv