Ziemlich ferne Freunde Christlich-orthodoxe Verbundenheit von Griechen und Russen wird überschätzt

01.02.2015 · Athen/Moskau.

In Athen vollzieht sich gerade etwas, was die Griechen "Kolotumba" (Purzelbaum) nennen. Die neue Links-Rechts-Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras bringt Europa gründlich durcheinander. Sie will nicht nur ein Ende der harten Sparmaßnahmen in dem überschuldeten Land, sondern kehrt sich auch von der bisherigen EU-Sanktionspolitik gegen Russland ab. Griechenlands Außenminister Nikos Kotzias trug am Donnerstag in Brüssel zwar weitere Strafmaßnahmen wegen der russischen Unterstützung für die Separatisten in der Ostukraine mit, erreichte aber Abschwächungen.

Beobachter spekulieren, ob der griechische Schwenk mit der alten christlich-orthodoxen Verbundenheit von Athen und Moskau zu tun haben könnte. Der Glaube gilt als einigendes Band beider Länder. Allerdings steht Tsipras selbst der Kirche denkbar fern. Als erster griechischer Ministerpräsident verweigerte er den religiösen Amtseid - zur Empörung der Kirche. Die Nähe seiner Linkspartei Syriza zu Russland beruht eher darauf, dass viele ehemals kommunistische Syriza-Funktionäre einst in Moskau studierten. Zu den ersten Tsipras-Gratulanten gehörte denn auch Kremlchef Wladimir Putin.

Als politische Bastion der orthodoxen Kirche in Griechenland gilt vielmehr die abgewählte konservative Nea Dimokratia von Tsipras-Vorgänger Antonis Samaras. Ausgerechnet mit einer rechtsnationalen Abspaltung der Konservativen, den "Unabhängen Griechen" (Anel), hat Syriza ein Bündnis geschlossen. Die Russlandsympathie von Anel-Chef Panos Kammenos, der ins Verteidigungsministerium rückte, hat sicherlich auch religiöse Gründe. Mehr aber treibt die neue Regierung die Sorge um die griechischen Bauern um, die von Exporten nach Russland abhängen. Athen will zudem russische Waffenlieferungen.

Die orthodoxen Kirchen in Griechenland und Russland stehen sich zudem ferner, als der gemeinsame Glaube den Anschein erweckt. Teile Griechenlands, darunter der Norden und viele Inseln, gehören zum Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel, das sich mit Moskau seit Jahrhunderten um die Vorherrschaft in der Weltorthodoxie streitet. Patriarch Bartholomäus I. wird von den Russen wegen seiner freundschaftlichen Verbindungen zum Westen sowie seiner ökumenischen Bemühungen kritisch beäugt. Das große orthodoxe Konzil, das nächstes Jahr in Istanbul beginnt, dürfte viele Konfliktpunkte auf den Tisch bringen.

Die selbstständige orthodoxe Kirche von Griechenland, die im größeren Rest des Landes dominiert, wird sich über den neuen Regierungschef Tsipras kaum freuen. Er hat den "Oligarchen" den Kampf angesagt - gut möglich, dass er damit auch die Kirche als größte Grundbesitzerin Griechenlands meint. Das Gehalt der mehr als 10.000 Geistlichen wird noch immer vom Staat bezahlt. Schon die Samaras-Regierung erwog vor einigen Jahren, die Zahlungen zu halbieren. Die orthodoxe Kirche, die laut Verfassung den Status als "vorherrschende" Religion genießt, ist zudem von der seit 2011 erhobenen Immobiliensteuer ausgenommen. Noch.

Quelle: epd