Brigitte Andrae im Gespräch Niedrige Zinsen fordern kirchliche Stiftungen heraus
17.02.2015 · Erfurt. Die rund 30.000 kirchlichen Stiftungen in Deutschland sehen sich durch die anhaltende Niedrigzinsphase besonders herausgefordert. Die negativen Auswirkungen könnten jedoch geringer sein als im übrigen Stiftungswesen. Grund dafür ist ihre Vermögensstruktur, die oft mit Immobilien und Ländereien von Zinsen unabhängige Erträge ermöglicht, sagt die Präsidentin des Kirchenamtes der mitteldeutschen Kirche und Leiterin des Arbeitskreises Kirchen im Bundesverband Deutscher Stiftungen, Brigitte Andrae.
Welchen Stellenwert haben kirchliche Stiftungen im deutschen Stiftungswesen?
Andrae: Stiftungswesen und Kirche sind eng verbunden, die ersten Stiftungen wurden im Mittelalter aus religiösen Gründen errichtet. Damit gehören sie zu den traditionsreichsten Stiftungen in Deutschland. Es gibt aber auch viele jüngere und ganz junge kirchliche Stiftungen. Besonders ist an ihnen, dass sie aus christlicher Motivation gegründet wurden. Der christliche Geist verbindet sie.
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen geht von derzeit ungefähr 30.000 Kirchenstiftungen aller Rechtsformen aus, die genaue Zahl ist jedoch nicht bekannt. Rechtlich unterliegen sie der kirchlichen Stiftungsaufsicht, die die satzungsgemäße Verwendung der Mittel und den Erhalt des Stiftungskapitals kontrolliert - im Gegensatz zu anderen Stiftungen, die von staatlichen Stellen beaufsichtigt werden.
Welche Aufgaben werden hauptsächlich von ihnen wahrgenommen?
Andrae: Historisch dienten kirchliche Stiftungen häufig dem Unterhalt der Kirchengebäude. Von den Erträgen der sogenannten Pfründestiftungen, meist Eigentümer von Ländereien, wurde der Lebensunterhalt der Pfarrer finanziert. Viele Stiftungen waren auch Träger sozialer Einrichtungen wie zum BeispielWaisenhäuser und Spitäler. Heute widmen sich kirchliche Stiftungen einer Vielzahl kirchlicher, gemeinnütziger und mildtätiger Zwecke.
Sie sind Träger von Kitas, Schulen, Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen, fördern Jugend-, Alten- und Behindertenhilfe, aber auch Bildung, Wissenschaft, Kultur und Denkmalpflege. Ein junger Stiftungstypus sind Gemeindestiftungen, an denen sich viele Stifter beteiligen. Sie dienen der Förderung einzelner Kirchengemeinden und unterstützen diese in Zeiten sinkender Kirchensteuereinnahmen.
Was bedeutet der anhaltende Niedrigzins für die kirchlichen Stiftungen?
Andrae: Die Niedrigzinsphase stellt den gesamten Stiftungssektor vor große Herausforderungen. Das gilt auch für kirchliche Stiftungen. Viele Stiftungen sind jetzt aufgefordert, sich aktiv mit ihrer Vermögensanlage auseinanderzusetzen. Einige verstärken auf der anderen Seite ihre Bemühungen in Sachen Fundraising. Allerdings schätzt der Bundesverband, dass die Niedrigzinsphase viele kirchliche Stiftungen möglicherweise etwas weniger hart trifft als den Stiftungssektor insgesamt - aufgrund ihrer Vermögensstruktur.
Viele der alten Kirchenstiftungen haben Jahrhunderte überdauert und Kriegen, Revolutionen und Inflationen getrotzt. Dass sie so beständig sind, liegt auch daran, dass ihr Vermögen oft aus Immobilien und Wäldern besteht, aus Werten also, die von Substanz sind. Wer zum Beispiel Land besitzt und über Erbbaurechte oder Forstwirtschaft Erträge erwirtschaftet, ist von der Niedrigzinsphase unabhängig.
Quelle: epd