Orientierungshilfe Evangelische Kirche kritisiert Defizite bei Inklusion in Schule

27.01.2015 · Hamburg.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dringt auf eine stärkere Integration von Schülern mit besonderem Förderbedarf. Einer inklusiven Schule stehe zu viel Frontalunterricht entgegen. Außerdem gebe es zu wenig individuelle Begleitung beim Lernen, heißt es in einer "Orientierungshilfe", die Annette Scheunpflug, Erziehungswissenschaftlerin an der Uni Bamberg, am Montag in Hamburg vorstellte. Notwendig seien verbindliche Qualitätsstandards für den Unterricht. Dazu sollten Schulen multiprofessionelle Teams bilden. Vorgeschlagen wird, dass Eltern in einer Übergangszeit zwischen Förderschule und gemeinsamem Unterricht wählen können.

Inklusion sei ein "Jahrhundertthema", betonte das EKD-Ratsmitglied Uwe Michelsen. Die Kirche möchte mit der Orientierungshilfe eine "Veränderung in den Köpfen" fördern. Sie selbst habe die Aufgabe, Gottesdienste für alle Menschen zu gestalten. Dafür müssten noch viele Ängste abgebaut werden. Dies gelte auch für Pastoren und Religionslehrkräfte. In den Gemeinden sollte "ein neuer Blick auf Verschiedenheit" entstehen.

Menschen mit Behinderungen werden immer noch allzu häufig nach ihren Defiziten beurteilt, beklagte Hanns-Stephan Haas, Direktor der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, einer der bundesweit größten Einrichtungen für Menschen mit Handicap. Stattdessen sollten ihre Potenziale in den Vordergrund gerückt werden. Es seien Menschen, die neue Impulse in die Gesellschaft einbringen würden.

Die Hamburger Pastorin Esther Bollag, Mitarbeiterin der Kommission, forderte eine "Entmedizinisierung" von Behinderung. Immer noch werde Behinderung mit Krankheit gleichgesetzt. Man könne den Begriff "Behinderung" auch ganz anders verwenden und damit auf die zahlreichen Barrieren und Einschränkungen im gesellschaftlichen Umfeld hinweisen, sagte die Pastorin, die selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist.

Der Begriff Inklusion markiere einen Paradigmenwechsel, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im Vorwort der Orientierungshilfe. "Es geht nicht mehr um die Integration einer kleinen abweichenden Minderheitsgruppe in die 'normale' Mehrheit. Vielmehr soll die Gemeinschaft so gestaltet werden, dass niemand aufgrund seiner Andersartigkeit herausfällt oder ausgegrenzt wird." Mut und Kreativität seien dabei ebenso gefragt wie Professionalität und sensibler Umgang mit Vielfalt.

Erarbeitet wurde das 192 Seiten umfassende Dokument mit dem Titel "Es ist normal, verschieden zu sein. Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft" von Fachleuten aus Kirche, Diakonie, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Ausführlich thematisiert die Orientierungshilfe auch Konsequenzen von Inklusion für Kirche und Diakonie. Ausgrenzung widerspreche der Abendmahlsgemeinschaft. Das kirchliche Engagement im Bildungs- und Sozialbereich für Menschen mit Behinderungen habe deutlich gemacht, dass Menschenwürde und Gottesebenbildlichkeit jedem Menschen zukämen.

Quelle: epd



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