"Ich arbeite gerne. Ich bete gerne" Doris Mertke ist die neue Leiterin des Pilger-Klosters Tempzin
Von Marion Wulf-Nixdorf
08.03.2015 · Tempzin. Zum 1. Dezember hat Ehepaar Anders die Leitung des Pilgerklosters Tempzin abgegeben. Doris Mertke, 54 , ist die Nachfolgerin.
In ihrem Bewerbungsschreiben lautete der letzte Satz: „Ich arbeite gerne. Ich bete gerne.“ Das habe sie für Doris Mertke eingenommen, erzählt Magdalene Anders. Seit 2001 haben Magdalene und ihr Mann, Pastor i. R. Joachim Anders, im Pilger- Kloster in Tempzin gebetet und gearbeitet. In dem Jahr war das Ehepaar in das ehemalige Gutsverwalterhaus in Tempzin gezogen, hat seither zu unzähligen Ora-et-labora-Wochen eingeladen, zu Einkehrtagen und zu Pilgerwegen. Das ehemalige Warmhaus wurde saniert, eine ökologische Holzvergaserheizung gebaut und vieles, vieles mehr.
Schon seit 1989 waren beide mit Pilgergruppen unterwegs – zunächst von Sternberg aus gehend, wo Joachim Anders Gemeindepastor war und seine Frau Kantorin; ab 1994 von Tempzin aus. Damit sei die Pilgerbewegung in Tempzin die älteste der Neuzeit in Deutschland, meint Joachim Anders. Es ist wohl nicht vermessen zu sagen: Ohne die beiden, ohne ihren Glauben an das, was sie hier tun – nämlich mit anderen Menschen Glauben einzuüben, gäbe es dies alles nicht in Tempzin. Vielleicht etwas anderes...
Es schien zunächst schwer, eine Nachfolge für die Leitung zu finden, die durch Alter und gesundheitliche Situation von Ehepaar Anders nötig wurde. Der Vorstand des Pilger-Klosters hat in den vergangenen Jahren in zwölf geistlichen Gemeinschaften und Kommunitäten um Bereitschaft geworben, die künftige Leitung zu übernehmen. Grundsätzlich seien sie auf Aufgeschlossenheit gestoßen, erzählt Joachim Anders. Jedoch leiden die Kommunitäten selbst an Mitarbeiter- und Nachwuchsmangel. Außerdem musste die Finanzierung geklärt werden. Ehepaar Anders hatte nach der beantragten Beurlaubung aus dem Pfarrdienst 2001 zunächst ohne Vergütung nur mit einem Taschengeld durch Pilgergemeinschaft und Freundeskreis und dann seit der Pensionierung 2006 ehrenamtlich den Auf- und Ausbau des Pilger-Klosters geleitet.
Es gab Gespräche mit dem mecklenburgischen Bischof, dann mit Propst Karl-Matthias Siegert. Von ihm kam die rettende Idee: Er hatte noch eine halbe nicht vergebene Projektstelle und konnte sich vorstellen, dass die leitenden Gremien im Kirchenkreis sie für Tempzin zur Verfügung stellen würden. So wurde es beschlossen: Das Gehalt für die neue Leitung wird für drei Jahre vom Kirchenkreis Mecklenburg über die halbe Projektstelle finanziert, der Freundeskreis Kloster Tempzin erklärte sich verbindlich bereit, weitere 25 Prozent aufzubringen. Diese Dreiviertel- Stelle wurde dann ausgeschrieben. Es gab zehn Interessierte, von denen sich zwei bewarben. Den Zuschlag erhielt Doris Mertke. Ende vergangenen Jahres zog sie in Tempzin ein, Ehepaar Anders zog nach Waren/Müritz.
Doris Mertke wurde 1960 in West- Berlin geboren. Am Institut für Katechetischen Dienst in Berlin-Charlottenburg absolvierte sie eine katechetische Ausbildung. Bis 1990 arbeitete sie in Reinickendorf im Plattenbauviertel und in Kreuzberg als Religionslehrerin. Die Maueröffnung hatte sie live vor der Haustür, erinnert sie sich. Relilehrerin wollte sie nicht bleiben, es zog sie in eine Kirchengemeinde. Aber dann fand sie es „unheimlich schade“, wie ihre Kirche zusammengeführt wurde, dass das Kirchensteuersystem einfach vom Osten übernommen wurde. „Ich hatte die Vorstellung, die Maueröffnung wäre auch eine Chance für einen Aufbruch meiner Kirche gewesen. Ich war verärgert – und stieg aus.“
Ein Jahr lang arbeitete sie in einer Krankenhausverwaltung. Eine methodistische Freundin warb sie für die Leitung des Jugendwerkes Weser- Ems-Bremen in Oldenburg (Old.). In der Zeit erwarb sie einen Predigtauftrag mit Sakramentsverwaltung in der Methodistischen Kirche, der sie 1995 beigetreten war.
Als ein Jugendlicher zu ihr sagte: „Doris, du bist ja altmodisch“ – da dachte sie sich, dass es Zeit wäre für erneute Veränderung. Bis 2004 übernahm sie dann die Leitung der methodistischen Gemeinde in Flensburg. Sie traf auf eine klein gewordene Gemeinde, der ihre Kirche und Räume viel zu groß und teuer geworden waren. Kirchenverkauf und die schließlich erfolgreiche Suche nach neuen und bezahlbaren Gottesdiensträumen sowie ein Gemeindeaufbau „von unten“ über die Arbeit mit Kindern prägten diese Zeit.
Im Internet erfuhr sie zufällig von einer Kommunität in Frankreich im Elsass, bei der man „Schwester auf Zeit“ werden konnte. Sie verscherbelte die Hälfte ihres Hausstandes und ging nach Erckartswiller. Wieder völlig neue Erfahrungen: Sie lebte mit fünf Schwestern, teilte den Tag nach den fünf Tagzeitengebeten, übernahm Büroarbeiten, Kurierdienste, arbeitete im Gästehaus und in der Imkerei, lernte Weben, gestaltete Seminare mit und übernahm Gottesdienste im Mutterhaus in Ingwiller. „Es war eine schöne Zeit. Ich bin froh, dass ich das gemacht habe“, sagt Doris Mertke. Nach ihrer „Schwestern-Zeit“ zog sie 2006 nach Celle.
Es kam eine Sondierungsphase, sie lernte ein paar Monate Hartz-IV kennen. Weil es in Celle keine methodistische Gemeinde gab, „fädelte ich mich wieder in die Landeskirche ein“, wie sie sagt. Durch eine Ausschreibung im Internet wurde sie auf eine Mutterschaftsvertretung in St. Johannis Neubrandenburg aufmerksam. Dort arbeitete sie ab 2007 als Gemeindepädagogin. Bald hatte sie auch dort den Auftrag zur Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung. Im Theologisch-Pädagogischen Institut der damaligen mecklenburgischen Landeskirche begann sie die Pastorale Qualifikation.
Nach Ende ihres Vertrages in Neubrandenburg wechselte Doris Mertke in die Kirchgemeinde Klütz-Boltenhagen- Bössow. Im Februar 2011erfolgte durch Propst Siegert die Beauftragung. Bis 30. November 2014 war sie im Klützer Winkel tätig. Zum ersten Mal war Doris Mertke im vergangenen Frühjahr in Tempzin. Propst Siegert hatte auf dem Konvent von der Nachfolge-Suche berichtet. „Da musste ich mir den Ortsnamen noch buchstabieren lassen“, erzählt sie lachend. Sie rief Ehepaar Anders an, schlief eine Nacht in Tempzin: „Das Pilgerkloster brachte in mir die Elsässer Zeit zum Schwingen“, erzählt sie. Kommunitäres klösterliches Leben und die Verzahnung nach außen reizte sie. „Hier gibt es so viele Möglichkeiten“, ist sie überzeugt. „Wir wollen versuchen, eine fließende Kommunität aufzubauen. Menschen, die ein kommunitäres Leben suchen, sollen kein Lebensgelübde ablegen müssen. Wir wollen Regeln erarbeiten, wie man auch in Frieden wieder voneinander lassen kann, wenn eine Seite bemerkt, dass diese Zeit jetzt vorbei ist.“ So wird es möglich sein, ist sie überzeugt, all das „was Ehepaar Anders aufgebaut hat, würdig und sinnvoll in Schuss zu halten“.
Doris Mertke begreift Tempzin als Ankommen in ihrem Lebenslauf. Inzwischen hat sie ihr erstes Weihnachten – mit Besuch und nach Jahren das erste Mal ohne Dienst – hier gefeiert. Sie hält die Tageszeitengebete – morgens, mittags, abends, nachts – auch alleine, „sonst wäre es eine Mogelpackung“. „Aber“, so sagt es Joachim Anders, „wir wünschen dir, dass du hier nicht oft allein bist“. An ihrer Seite hat sie den Vorstand, acht Menschen u.a. aus Hamburg, Berlin, der Wismarer Gegend. Joachim Anders als Vorsitzender und Magdalene als stellvertretende Vorsitzende sind aus dem Vorstand ausgetreten. Aber wenn Rat gefragt ist – Waren ist nicht weit weg. „Uns fällt es leicht zu gehen, weil nun eine da ist, die die Dinge hier in die Hand nimmt, die ähnliche Ziele hat: den Aufbau einer geistlich lebenden Gemeinschaft. “
Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 10/2015