Theologischer Kommentar zur Oper "La Traviata" Alt-Erzbischof Thissen: Theater kann zur Predigt werden

31.05.2015 · Schwerin.

Der katholische Alt-Erzbischof Werner Thissen (Hamburg) hat am Sonnabend in Schwerin seine erste Theaterpredigt gehalten. Eine Predigt sei kein Theater, aber das Theater könne durchaus zur Predigt werden, sagte Thissen im Mecklenburgischen Staatstheater. Das Theater könne das Gewissen aufrütteln, heilsame Emotionen hervorrufen, begeistern oder nachdenklich stimmen. Thema war Verdis Oper "La Traviata".

Giuseppe Verdi habe für ihn persönlich eine ganz besondere Bedeutung, bekannte der Alt-Erzbischof. Nach der neunten Klasse des Gymnasiums habe er die Schule verlassen wollen, um eine kaufmännische Lehre zu beginnen. Zum Abschluss der Schulzeit habe die Klasse eine Fahrt ins benachbarte Duisburg unternommen, um Verdis Oper "Troubadour" zu besuchen. Diese habe ihn so begeistert, dass er die Schule doch bis zum Abitur besucht habe.

Eine Musik wie "La Traviata" mit Worten zu erklären, sei gefährlich, räumte Thissen ein. Musik sei eine ganz eigene Sprache, die sich nicht nur an den Verstand richtet, sondern zu Herzen gehen kann. "Wenn es dann noch um Liebe und Ehre, Geld und Intrige sowie Lust, Schmerz und Tod geht, dann ist die Oper in ihrem Element."

"La Traviata" bedeute wörtlich "Die vom Wege Abgekommene", so Thissen. Die Figur der Violetta sei eine Grenzgängerin, die sich als Prostituierte außerhalb der Gesellschaft stellt, und sowohl verachtet als auch begehrt wird. Er selbst lebe in Hamburg mitten in St. Georg, einem bekannten Prostituiertenviertel. In Violetta und Alfredo prallten in der Oper oberflächliches Vergnügen einerseits und tiefe Liebe andererseits auf einander.

Verdis Gesellschaftskritik ist nach den Worten des Alt-Erzbischofs überdeutlich. Die Prostituierte Violetta werde zum Opfer einer Gesellschaft, der äußerer Schein der Ehre wichtiger sei als die wirkliche Liebe. Fast hätte es ein Happy End gegeben, doch dann sterbe die kranke Violetta. Sie sei "die bekehrte Prostituierte, die Hure und Heilige". Wie alle Verdi-Opern wecke "La Traviata" große Gefühle. Deshalb sei sie auch heute noch so populär.

Die Theaterpredigt versteht sich als theologischer Kommentar zu einer aktuellen Inszenierung. Die erste derartige Veranstaltung fand Anfang April mit Nordkirchen-Landesbischof Gerhard Ulrich statt. Ulrich setzte sich mit William Shakespeares Stück "Der Kaufmann von Venedig" auseinander.

Quelle: epd