Vergessene Geschichte aufdecken Ausstellung "Frauen schreiben Reformationsgeschichte" kommt nach Schwerin

Von Anne-Dorle Hoffgaard und Hartmut Schulz

Adeline Gräfin von Schimmelmann (1854-1913)

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25.02.2016 · Schwerin. Beim Wort "Reformation" wird meist an den Reformator Martin Luther (1483-1546) und andere Männer gedacht. Das Frauenwerk der Nordkirche zeigt jetzt mit einer Ausstellung, dass auch Frauen bis in die heutige Zeit reformatorische Impulse setzen.

Als Adeline Gräfin von Schimmelmann (1854-1913) im August 1886 zur Erholung in Göhren auf der Insel Rügen weilte, wurde sie auf das Elend der dort arbeitenden Fischer aufmerksam. Bereits ein Jahr später richtete sie in dem Ort ein Seemannsheim ein. Vor allem auf Rügen, der Insel Oie, aber auch in Skandinavien, England, Italien, den USA und Kanada setzte sie sich für bessere Lebensbedingungen von Seeleuten ein.

Auch sonst durchbrach die Gräfin offenbar die engen Grenzen des damaligen weiblichen Handlungsspektrums, war Evangelistin und Predigerin, Rednerin, Publizistin und Herausgeberin sowie unverheiratete Adoptivmutter. In einer neuen Wanderausstellung der Nordkirche, die nach Kiel ab Freitag (26. Februar) in Schwerin ihre zweite Station hat, wird auch diese couragierte Frau vorgestellt.

19 Biografien aus fünf Jahrhunderten

Für die Präsentation des Frauenwerks der Nordkirche mit dem Titel "...von gar nicht abschätzbarer Bedeutung" - Frauen schreiben Reformationsgeschichte" wurden über 60 reformatorisch engagierte Frauen aus Archiven, Kirchenbüchern und persönlichen Erinnerungen aufgespürt. Davon werden in der Wanderausstellung auf beleuchteten Stelen 19 Biografien aus fünf Jahrhunderten gezeigt. Eine Stele ist dem widerständigen Verhalten von Frauen in der DDR gewidmet. Ergänzend gibt es einige Hörstationen und Exponate, darunter eine Pastoren-Halskrause, eine Bugenhagen-Medaille sowie Gulden aus dem 16. Jahrhundert.

In der Schau werden Persönlichkeiten wie die Theologinnen Dorothee Sölle (1929-2003), Annemarie Grosch (1914-2005) und Elisabeth Haseloff (1914-1974) vorgestellt. Haseloff wurde 1959 als bundesweit erste Frau in Lübeck zur Pastorin ordiniert. "Der Herr Pastor ist - eine Frau", schrieb 1959 die Illustrierte "Quick". Zentrales Anliegen der Ausstellung sei es, nachzuspüren, wie der Prozess der Reformation in den fünf Jahrhunderten nach 1517 im Gebiet der Nordkirche fortgeführt wurde, erklärt Projektleiterin Kerstin Klein vom Frauenwerk.

Die Frauen waren Vorkämpferinnen der Reformation im Norden. Sie förderten als Mäzeninnen Gesang und Bibeldruck, begründeten die diakonische Idee, waren erste Missionarinnen. Die Frauen traten für Humanismus in Kriegszeiten ein, kämpften für die Frauenordination, wurden Pionierinnen der evangelischen Frauenarbeit, machten feministische Theologie populär und engagierten sich ehrenamtlich in politischen Kampagnen.

"Vorbilder für Frauen und Männer"

Vier der 19 Porträtierten wirkten auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern. Neben Adeline Gräfin von Schimmelmann handelt es sich dabei um Helene von Bülow (1816-1890), die Gründerin von "Stift Bethlehem" in Ludwigslust, Ilse Margreth Kulow (1922-1998), die als erste in Mecklenburg ordinierte Theologin gilt, sowie um die Pastorentochter und engagierte Pazifistin Margarethe Lachmund (1896-1985), die sich in der NS-Zeit für ausreisewillige jüdische Deutsche einsetzte.

Mit ihrer Courage seien sie Vorbilder für Frauen und Männer, "ein eigenes politisches Bewusstsein zu entwickeln und sich, wo notwendig, mutig gegen den gesellschaftlichen Mainstream zu stellen", hatte Nordkirchen-Synodenpräses Andreas Tietze zur Eröffnung der Schau im Kieler Landeshaus Anfang Februar gesagt. In Schwerin wird die Ausstellung bis zum 28. März im Schleswig-Holstein-Haus zu sehen sein. Weitere Stationen sind in diesem Jahr Elmshorn, Meldorf, Husum, Lübeck, Eckernförde und Neustadt in Holstein.

Quelle: epd