Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn: Plädoyer für authentischen Religionsunterricht und erneuertes Europa
18.05.2017 · Stavenhagen. „Ob wir glauben oder nicht – warum uns die Reformation heute angeht“ – unter diesem Titel hielt Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn am Donnerstag einen Vortrag im Fritz-Reuter-Literaturmuseum. Der evangelische Theologe fragte u. a., welche reformatorischen Überzeugungen für die Gesellschaft brennend aktuell sind. So plädierte er für einen authentischen Religionsunterricht, um Radikalisierungen unter jungen Menschen zu vermeiden. Zugleich ermutigte er, sich für ein erneuertes Europa einzusetzen und das Erreichte nicht aufs Spiel zu setzen.
Der Schweriner Bischof erinnerte daran, dass Luther die Menschen im Blick auf Erziehung und Bildung, aber auch in der Gemeinde zur Verantwortung berufen sieht. Vor diesem Hintergrund sprach sich Andreas v. Maltzahn für einen „authentischen Religionsunterricht“ aus und unterstrich, dass dies heute wichtiger denn je sei. Seine Begründung: Heranwachsende und Jugendliche müssen befähigt werden, sich zu den religiösen Bewegungen unserer Zeit verhalten zu können. „Sie müssen ,die Geister unterscheiden‘ können“, so der Bischof wörtlich.
Insbesondere, weil Konflikte häufig unter quasireligiöser Flagge ausgetragen werden, braucht es eine authentische Kenntnis der Welt des Religiösen, die hilft, „Radikalisierungen zu vermeiden und Zerrbilder abzubauen“, so Andreas v. Maltzahn. Ziel eines authentischen Religionsunterrichts müsse sein, junge Leute in der Lage zu versetzen, mit der „heutigen Vielfalt der Kulturen und Religionen selbst-bewusst und souverän umzugehen – und das vermag am besten, wer sich der Wurzeln seiner eigenen Prägungen wohl bewusst ist“.
Notwendigen Konflikten nicht ausweichen
Ein weiteres Augenmerk legte Bischof v. Maltzahn in seinem Vortrag auf den Mutbürger Luther, der notwendigen Konflikten nicht auswich, sondern sie annahm. Vor allem die Frage nach der Wahrheit, die Frage nach Gott war für den Reformator „so wichtig, dass er sich durch nichts und niemand davon abbringen ließ“.
Im Blick auf die heutige Zeit sieht Bischof v. Maltzahn zum einen die Herausforderung in religiöser Hinsicht. Das heißt für ihn, die Frage nach Gott wachzuhalten. Zum anderen sprach er die Herausforderung in politischer Hinsicht an. Hier sei es für ihn als Bürger, „unabdingbar, um ein gemeinsames europäisches Haus zu ringen, in dem die verschiedenen Nationen in Gerechtigkeit und Frieden zusammenleben und sich an den Menschenrechten orientieren“.
Europäische Union reformieren, statt Infrage zu stellen
Auch wenn man mancherlei an der Europäischen Union beklagen könne, räumte der Bischof ein, sei es allemal wert, dass die EU erhalten und reformiert wird! „Meine Generation hat Gott sei Dank den Krieg nicht am eigenen Leib erfahren müssen. Dieser geschichtliche Ausnahmefall verdankt sich auch dem Erneuerungswillen nach dem II. Weltkrieg. Ehemalige Erzfeinde wie Frankreich und Deutschland sind heute einander freundschaftlich verbunden“, begründete der Theologe.
Er warnte davor, dass dies alles auf dem Spiel stehe und nannte zwei aktuelle Beispiele. „So schlimm werde es schon nicht kommen, dachten viele Briten. Erst als der Brexit kam, gingen sie für Europa auf die Straße“, formulierte Andreas v. Maltzahn und fügte hinzu: „So schlimm werde es schon nicht kommen, dachten viele Amerikaner. Erst als Trump gewählt war, demonstrierten sie für die freiheitlichen Werte ihrer Nation.“
Scheinbar einfachen Lösungen widerstehen
Vor diesen aktuellen Entwicklungen rief er dazu auf, sich deutlich für Europa auszusprechen – im Freundeskreis, unter den Kollegen, in der Öffentlichkeit. „Es ist höchste Zeit, den scheinbar einfachen Lösungen des ‚Wir zuerst!‘ zu widerstehen, damit Frieden und solidarischer Ausgleich in Europa eine Chance behalten. Ringen wir darum, eine bessere Europäische Union zu gestalten, aber setzen wir nicht das Erreichte aufs Spiel! Auf unsere Haltung in diesen Fragen, auf unsere Wahlentscheidung im September wird viel ankommen.“
Zugleich verwies der Bischof darauf, dass dies für ihn einschließe, die „fälligen Auseinandersetzungen zu führen, ohne Andersdenkende zu dämonisieren“. So wie Melanchthon, der immer wieder das Verbindende suchte, braucht es auch in den aktuellen Auseinandersetzungen „das Gespräch, die Entfeindung – wie Jesus sie uns nahegelegt hat“.
Der Vortragsabend fand in der Themenreihe ,Reformation‘ statt. Zu dieser laden die evangelische Kirchengemeinde Stavenhagen gemeinsam mit dem Literaturmuseum und dem Verein ,Alte Synagoge‘ noch am 3. Juni, 26. Juli und 7. August mit weiteren Gastrednern ein, darunter zum Abschluss mit dem Schweriner Rabbiner Juri Kadnikow zum Thema „Martin Luther und die Juden“.
Quelle: ELKM (cme)