Wort zum neuen Jahr von Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg
31.12.2018 · Greifswald.Frieden war uns in Europa Jahrzehnte lang selbstverständlich. Das Konfliktpotential in Europa war durch die Europäische Union (EU) weitgehend neutralisiert. Nun bröckelt die EU. Großbritannien will die Gemeinschaft verlassen. Nationalistische Interessen und populistische Strömungen in vielen Ländern wie Polen, Ungarn, Italien, Frankreich, Österreich und auch bei uns schwächen Europa mehr und mehr. Wer die Kraft Europas klein macht, vergrößert die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen. Im Osten Europas schwelt ein Krieg in der Ostukraine, der jederzeit wieder offen ausbrechen kann. Am Rande Europas, im Nahen Osten und in Nordafrika, gibt es in keinem Land wirklichen Frieden. Weltweit werden gegenwärtig 20 Kriege geführt.
„Suche den Frieden und jage ihm nach“, lautet die Jahreslosung der Kirchen für 2019. Der Satz stammt aus Psalm 34, einem mehr als 2.500 Jahre alten Gebet der Bibel. Im Originaltext heißt es „Schalom“. Das hebräische Wort meint die Ausgeglichenheit aller Lebensverhältnisse. Dann haben alle das, was sie zum Leben brauchen. Dann herrscht Gerechtigkeit und Menschen leiden nicht an einander oder an den Umständen. Gerade in unserer Zeit, die so sehr von Terror und Kriegen, von Hektik und Hass beherrscht wird, sehnen wir uns nach diesem Frieden. Friede ist also vielmehr als die Abwesenheit von Krieg.
Entscheidend ist der Blickwechsel weg von einer gewaltsamen Lösung der Konflikte hin zum Frieden. Im Jahr 2019 denken wir daran, dass sich die friedliche Revolution in der DDR zum 30. Mal jährt. Mit Mut, Phantasie, einem langen Atem, friedlicher Gesinnung und nicht zuletzt Gottvertrauen ist es möglich, die Verhältnisse gewaltlos zu wandeln. Vorausgesetzt, die Großmächte halten sich zurück. Die Kerzen und die Friedensgebete haben die friedliche Revolution zum Erfolg geführt. Der aus der Bergpredigt Jesu gewonnene Slogan „Keine Gewalt!“ hat – bei den Demonstrationen skandiert – geholfen, die Auseinandersetzung zwischen der Staatsmacht und der Opposition friedlich zu führen. Nur auf dem friedlichen Wandel der Verhältnisse liegt Gottes Segen.
Daran sollten wir uns auch bei der Diskussion um Rüstungsexporte erinnern. Der Einsatz von Gewalt kann sowohl innerstaatlich als auch in internationalen Konflikten nur eine allerletzte Möglichkeit demokratischer Staaten sein, um Leben zu schützen. Deswegen dürfen wir auch keine Waffen an autokratische Regierungen verkaufen. Unsere Regierung trägt die Verantwortung dafür, dass entsprechende Geschäfte unterbleiben.
Frieden zu suchen, ist Aktivität. Der Frieden stellt sich nicht von selber ein. Man muss ihn wollen. Doch letzten Endes können wir Menschen den gerechten Frieden in der Welt nicht machen, weil er nicht nur von uns abhängt. Und können wir für uns selbst die Hand ins Feuer legen, dass wir immer nur das Frieden Förderliche tun? Der umfassende Frieden ist unverfügbar, Frieden ist ein Geschenk. Wir Christen glauben daran, dass Gott uns in dem Menschen Jesus diesen Frieden geschenkt hat. Dass mit Jesu Geburt der Frieden ausgebrochen ist und dass wir nur im Glauben an ihn wahren Frieden finden können. Auf dieser Basis jagen wir dem Frieden nach.
Dr. Hans-Jürgen Abromeit, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern (Greifswald)