Kirchenpartnerschaft zwischen Bayern und Mecklenburg bekräftigt Fruchtbare Impulse und der Erneuerung auf der Spur
21.01.2018 · Rostock/München. Die Geschichte der vor 70 Jahren begründeten Partnerschaft zwischen den evangelisch-lutherischen Christen in Bayern und in Mecklenburg, „ihre Beständigkeit durch Revolutionen und Kirchenvereinigungen hindurch, ist für mich eine kleine Wundergeschichte“. Dies sagte EKD-Ratsvorsitzender Dr. Heinrich Bedford-Strohm, der zugleich bayerischer Landesbischof ist, am heutigen Sonntag in der Rostocker Universitätskirche.
In seiner Predigt zum Start des Jubiläumsjahres sprach der Theologe zugleich davon, dass die Protestanten in Bayern voller Dankbarkeit darauf schauen, „welch fruchtbare inhaltliche Impulse, welch tragfähige geschwisterliche geistliche Gemeinschaft, welch beglückende menschliche Freundschaft aus dieser Partnerschaft in all den Jahren entstanden ist“. Zudem sei es immer wieder ermutigend, „wie die mecklenburgischen Geschwister zeigen, dass wir auch unter ungleich schwereren äußeren Bedingungen als wir das gegenwärtig kennen, ausstrahlungsstark Kirche sein kann“. Und im Blick auf die jüngste Begegnung in und um Rostock sprach der bayerischen Bischof davon, dass er „dankbar, bereichert und inspiriert“ wieder nach München zurückkehre.
Der Schweriner Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn erinnerte in seinem Grußwort daran, dass die Partnerschaft manche Zäsur bewältigt und sich dabei gewandelt habe: „Die Errichtung der Mauer hat es nicht vermocht, die Beziehungen zu kappen. Friedliche Revolution und später die Fusion zur Nordkirche haben vieles verändert, aber die Partnerschaft ist nach wie vor lebendig.“ Zugleich dankte er für die Zugewandtheit, das Interesse an Kirche-Sein in Mecklenburg, welches auch in der Gegenwart eine Quelle der Kraft für die evangelischen Christen im Norden sei.
Ost-Paket als Zeichen des Dankes
Als Zeichen des Dankes übereichte Bischof v. Maltzahn der bayerischen Synodalpräsidentin Dr. Annekathrin Preidel ein Paket – „ein Paket mal in die andere Richtung geschickt“. Darin finden sich Dinge, die für Innovationen aus Mecklenburg stehen, wie beispielsweise die Broschüre ‚Kinderleicht‘, die Anregungen für kinderfreundliche Gottesdienste gibt sowie Materialien des sozialdiakonischen Projektes Volxmobils, das sich Menschen in abgehängten Stadtteilen und Landstrichen widmet.
Darüber hinaus geht Erinnerungsträchtiges, wie ein zum Kerzenleuchter umgebauter alter Dachziegel, auf die Reise in den Süden. „Denn manch mecklenburgische Kirche würde heute nicht mehr stehen, wenn nicht Baumaterialien gespendet worden wären und heute die Stiftung ‚Kirchliches Bauen in Mecklenburg‘ von Bayern unterstützt wird“, erläuterte Bischof v. Maltzahn. Und der ‚Geschmack des Ostens‘ fehlt im Paket natürlich auch nicht: mit Nudossi – „der Antwort des Ostens auf Nutella“ oder einer Packung Grabower Küsschen.
Mit der GeschichtenWerkstatt der Erneuerung auf der Spur
Seit Freitag hatten sich Mitglieder der bayerischen Kirchenleitung mit Vertretern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), darunter Landesbischof Gerhard Ulrich, und des Kirchenkreises Mecklenburg, unter ihnen Synodenpräses Christoph de Boor und Kirchenkreisvorsitzender und Propst Dirk Sauermann, ausgetauscht. Unter dem Motto „500 Jahre Reformation! – was nun? wurde eine erste Bilanz gezogen und über Zukunftsperspektiven beraten.
Der reformatorischen Erneuerung auf der Spur kamen Gäste und Gastgeber in der GeschichtenWerkstatt im Zentrum Kirchlicher Dienste Mecklenburg. Das Projekt bietet einen Ort, an dem sich Menschen auf kreative Weise mit Geschichten und den Perspektiven anderer auseinandersetzen können, so Werkstattleiterin Marit Fiedler. Nach dem Hören von „Der goldene Schlüssel“ der Brüder Grimm ließen Bayern und Mecklenburger gemeinsam an den zwölf Stationen ihren Empfindungen mit Mosaik- bis zum Computerspiel, vom Spiel mit den Worten der Geschichte bis hin zu darstellendem Spiel kreativen Lauf.
„Allen Geschichten, die uns bewegen, fesseln oder interessieren, kann mit den Materialien kreativ und neu begegnet werden“, so Marit Fiedler und ergänzte: „Jeder Mensch verfügt über eine je ganz individuelle Kompetenz, sich Texten zu nähern und sie auf seine Lebenssituation zu beziehen. ‒ ‚Auf der Oberfläche arbeiten und damit die Tiefe berühren‘, könnte der Wahlspruch des offenen Projektes sein, das im Vorjahr mehr als 600 Teilnehmende aus dem kirchlichen und gesellschaftlichen Bereich zählte.“
Reformprozesse in beiden Kirchen beleuchtet
Auf dem dreitätigen Programm standen zudem Impulsreferate über die Reformprozesse in beiden Kirchen. „Mit ,Profil und Konzentration‘ (PuK) wollen wir uns als bayerische Landeskirche auf allen unseren Ebenen neu aufstellen und mit unseren Angeboten auf die Lebenswirklichkeit der Menschen eingehen“, so der bayerische Oberkirchenrat Detlev Bierbaum. Das Reformpaket reicht von Arbeitsstrukturen und dem Zuschnitt der kirchlichen Arbeit in neuen Räumen bis zur Frage, wie sich die Kirche in der digitalen Welt positioniert.
Der Prozesses soll einen grundlegender Perspektivwechsel bringen: Vor dem Hintergrund geschichtlich gewachsener kirchlichen Strukturen hat man bisher häufig darauf gewartet, dass die Menschen zur Kirche kommen. „Künftig sollen die Aufgaben der Kirche wesentlich stärker aus der Perspektive der Mitglieder definiert werden. „Unser Ziel ist, Menschen mit ihren heutigen Lebensfragen einen niederschwelligen Zugang zu ermöglichen“, so Synodalpräsidentin Dr. Annekathrin Preidel.
Beim Kirchenkreisprozess „Stadt-Land Kirche – Zukunft in Mecklenburg“ geht es seit 2014 im Kern um die Frage: Wie wollen und wie können wir in Zukunft Kirche in Mecklenburg sein? Die erste Stufe sollte ermutigen, in Kirchengemeinden und Gremien frei zu entscheiden, welche Aufgaben vor Ort als sinnvoll erscheinen und für welche die Kräfte reichen. „In Stufe zwei haben wir uns in einem breiten Beteiligungsprozess über klare Kriterien im Blick auf eine PfarrGemeindeHaus-Planung und einen realistischen und solidarischen Stellenplan verständigt“, erläuterte Propst Dirk Sauermann. Mittlerweile ist klar, „welche Gemeindehäuser vor Ort in Zukunft vom Kirchenkreis mit Zuschüssen für Investitionen und Bauunterhaltung gefördert werden“, ergänzte Propst Wulf Schünemann.
Selbst Brot gebacken und von Kindern durchs Münster geführt
Bei Exkursionen zum Pfarrhof Rethwisch und in die Münstergemeinde Bad Doberan lernten die Gäste Gemeindeprojekte näher kennen. So backten sie in Rethwisch selber Brot und konnten die erste Pilgerin begrüßen, die eine Herberge im oberen Teil des Backhauses der Kirchengemeinde fand. In Bad Doberan führte Fiete die Gäste durch das Münster. Der Zwölfjährige gehört zum Team der Kinder-Münster-Führer und begeisterte mit seiner erfrischenden Art und seinem Wissen über Altar, die Mönche und die Geschichte. Vom sozialdiakonischen Engagement mit dem „Treffpunkt Suppenküche“ und der Mitarbeit im Netzwerk „Doberan hilf“ berichteten Barbara Niehaus, Hannes Roggelin und Pastor Albrecht Jax.
Seit 1948 besteht die Partnerschaft zwischen Bayern und Mecklenburg, erste Anfänge reichen bis in die 1930er-Jahre zurück. Die Partnerschaft wurde auch fortgesetzt, als im Jahr 2012 die Mecklenburgische Kirche Teil der Nordkirche wurde. Derzeit halten mehr als 30 Kirchengemeinden in Bayern und Mecklenburg Kontakt und gestalten Partnerschaften. Die Zahl lag vor dem Mauerfall deutlich höher. Nach 1961 hatte fast jede mecklenburgische Kirchengemeinde eine Partnergemeinde im Freistaat Bayern. Es gab sogar damals verbotene Drittlandbegegnungen. So trafen sich junge Christen aus Bayern und Mecklenburg beispielsweise in der damaligen Tschechoslowakei zu gemeinsamen Rüstzeiten. Bis heute gibt es zwischen Gemeinden vielfältige Besuche, Kanzeltausch-Aktionen, gemeinsame Jugend-Freizeiten, Familien und Gemeindeglieder besuchen sich wechselseitig. Bayerische Theologen als Vikare und Pfarrer in Mecklenburg, ein mecklenburgischer Pastor, der auf eine Stelle in Bayern wechselt: Dies alles gab und gibt es seit Jahrzehnen und befruchtet die kirchliche Arbeit im Süden und im Norden.
Quelle: ELKM (cme)