Delegationen aus Bayern und Mecklenburg trafen sich im Gedenkort "30 Jahre Friedliche Revolution – das geht uns alle an“
Von Christian Meyer
05.02.2020 · Waren/Müritz. Berührende Geschichten und Schicksale: Diese standen im Mittelpunkt der Begegnung von Vertretern der Nordkirche und ihres Kirchenkreises Mecklenburg mit der bayerischen Kirchenleitung. Zum Thema „30 Jahre Friedliche Revolution“ tauschten sich die Delegationen (30.1.-2.2.) in Waren/Müritz aus. Fazit des EKD-Ratsvorsitzenden und bayerischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm: „Das war ein wertvoller Anfang. Die meisten Geschichten aus dieser Zeit sind ja noch gar nicht erzählt.“
Die Rolle der Kirchen und die Ereignisse im Herbst 1989 im Nordosten beleuchtete Anne Drescher beim Treffen näher. Die Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in MV verdeutlichte, wie wichtig der Freiraum Kirche für das Engagement von Basisgruppen u.a. war. Zudem gab sie Einblick in die perfiden Methoden des von der SED gelenkten Staatssicherheits-Apparates. „Von Repressalien waren Christen überproportional betroffen“, so die Landesbeauftragte. Besonders das Schicksal von Dr. Karin Ritter berührte die Zuhörer aus Süd und Nord gleichermaßen. Die Ärztin engagierte sich – wie Anne Drescher auch – zu DDR-Zeiten in einem Schweriner Friedens- und Frauennetzwerk. So gelang sie in den Fokus der Stasi, die eine „Zersetzung“ anordnete. Karin Ritter wurde gezielt beruflich diskeditiert, ihr Telefon angezapft, ihre Wohnung durchsucht und in Abwesenheit umgeräumt. Drescher: „Beispielsweise hängte man ihre Bilder von der Wand ab und stellte diese auf den Fußboden. Ebenso wurde das Handtuch im Bad gewechselt.“ Die Stasi spielte die junge Frau psychisch kaputt. Sie zweifelte an sich selbst, sah am Ende keinen Ausweg mehr und nahm sich 1990 das Leben. Drescher: „Hätte sie ihre Stasi-Akte damals schon lesen können, hätte sie gewusst, dass alles nur inszeniert war.“
Die Gäste aus Bayern bekamen ebenso durch Gesichter der Revolution einen authentischen Einblick in die Zeit vor und während des Herbstes 1989. Christoph de Boor, Cornelia Ogilvie und Eckart Hübener skizzierten im moderierten Gespräch insbesondere die ersten Friedensandachten und Demonstrationen in Waren und Rostock – und, was sie motivierte und welche Gefühle und Ängste sie dabei begleiteten. Allen ging es darum, der „bleiernen Stimmung“ (Christa Wolf) im Land etwas entgegen zu setzen.
Besuch der Stasi-Untersuchungshaftanstalt