Dorfkirchen erkunden mit Kirchenpädagogin Maria Pulkenat "Damit die Leute noch ein bisschen stolzer sind auf ihre Kirche"
Von Annette Klinkhardt
30.07.2023 · Kirchdorf auf Poel. Unter dem Motto „Eine Dorfkirche erkunden“ erzählt Dr. Maria Pulkenat ehrenamtlich Engagierten etwas über die Architektur und das Innenleben ihrer Dorfkirche. Seit dem letzten Jahr bietet die Rostocker Kirchenpädagogin diese Veranstaltungsreihe an. Sie richtet sich insbesondere an diejenigen, die dafür sorgen, dass auf dem Gebiet der Nordkirche gerade im Sommer Tag für Tag Tausende Touristen und Einheimische, die Einkehr suchen, offene Kirchen finden.
Unter der Bischofsmütze gibt’s Kaffee und Kuchen. Die Kirchentür steht offen, und in das Innere des Turmraums mit dem kühlen Steinboden linst der Sommer. Bischofsmütze ist der Spitzname des achteckigen Kirchturms, den man schon vom Festland aus rot leuchten sieht. Seit vielen hundert Jahren hält der Turm die Wacht über die Insel Poel nördlich von Wismar.
Etwas von dieser Unerschütterlichkeit strahlen auch die Insulaner aus, die an diesem Nachmittag ihre Kirche besser kennenlernen wollen. „Das sind ganz engagierte Menschen, die dort mehrere Stunden sitzen“, sagt Maria Pulkenat, „sie alle eint, dass sie sich mit ihrer Kirche sehr verbunden fühlen. Das Gebäude spricht zu ihnen und sie sind in Resonanz mit den Kunstschätzen“. In Kirchdorf auf Poel ist es ein Kreis von 14 Ehrenamtlichen, die sich nach der Pandemie gefunden haben. „Wir haben hier täglich zwischen 50 und 100 Besucher“, erzählt Hubertus Gustav Doberschütz. Im Sommer könnten es auch mal 150 sein. Für die steht die Kirche täglich offen.
Wir lassen jeden erstmal hier reinkommen
Der 73-Jährige sagt: „Wer etwas wissen will, für den stehen wir zur Verfügung. Wir lassen jeden erstmal hier reinkommen und sich erkundigen. Aufdrängen ist Quatsch. Wenn sie eine Frage haben, beantworten wir sie. Manchmal auch nicht, wir sind alle Laien.“
Nach Meinung von Maria Pulkenat haben diese Ehrenamtlichen eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe: „Wenn Besucher reinkommen, müssen sie in Sekundenschnelle deren Bedürfnisse erfassen: Wollen diejenigen in Ruhe gelassen werden, brauchen sie kunstgeschichtliche Informationen, wollen sie sich mit jemandem über das Leben in der Kirchengemeinde unterhalten oder – das kommt nicht selten vor – sind sie gerade in Trauer oder in einer Krise und brauchen ein offenes Ohr. Es gibt zauberhafte Begegnungen, aber es gibt auch solche, wo Menschen einfach nur ihren Frust über die Kirche loswerden wollen.“
Mit einem Rundgang um die Kirche beginnt die Kirchenpädagogin die Erkundung. Sie stellt sich mit weit ausgebreiteten Armen in das gerundete Kirchenportal: „Herzlich willkommen, kommt rein, ruft so ein Portal“, sagt sie. Sie erzählt, wie aus Lehm der Backstein, der den Kirchen im Norden ihr charakteristisches Aussehen gibt, entsteht. Solche Informationen verbindet sie gerne mit einer weiteren Dimension: „Jede Kirche ist nach Osten ausgerichtet. Jede Kirche hat ihren kosmischen Bezug.“
Doch nicht nur die Kirchenpädagogin informiert, auch die Poeler kennen zahlreiche Anekdoten zu ihrer Dorfkirche: „Da war die Durchreiche für die Typhuskranken“, erläutert eine Teilnehmerin und deutet auf eine inzwischen zugemauerte Einkerbung, „damit die Familien ihren kranken Angehörigen etwas zu Essen bringen konnten. Die waren hier alle in der Kirche untergebracht“.
Eine unscheinbare Holzür an der Südseite führt vom strahlenden Grün vor der Kirche in das gedämpfte Innere. Vor der steinernen Schwelle bleibt Maria Pulkenat stehen. Sie erinnert an all die Menschen, die über die Jahrhunderte schon diese Schwelle überschritten haben: „Nicht nur vor dem vollendeten Gewölbe können wir Hochachtung empfinden, sondern auch davor, was in diesem Raum schon alles geschehen ist. Seit Generationen haben Menschen diese Kirche aufgesucht, haben darin gebetet, um Trost zu erhalten, Zuflucht zu suchen oder ihrer Freude Ausdruck zu verleihen.“ Hubertus Gustav Dobschütz nickt. Die Kirche ist für ihn ihm auch deshalb so wichtig, weil sie ihn erinnert an all die Stationen, die er und seine Familie gegangen sind.