Bischof Jeremias segnet Anna von Roenne als Prädikantin “Kirche ist da, wo Kirche passiert“

Anna von Roenne und Bischof Tilman Jeremias in der Rostocker Heilgeistkirche.

Foto: Franz Freiherr von Roenne

17.06.2024 · Rostock. Bischof Tilman Jeremias hat am Sonntag in der Rostocker Heiligengeistkirche Anna von Roenne gesegnet und in ihren Dienst als ehrenamtliche Predigerin gesendet. Die Psychologin war gut 30 Jahre lang in der ganzen Welt unterwegs. Als Prädikantin wird die 59-Jährige künftig regelmäßig predigen.

„Kirche ist da, wo Menschen wie Anna von Roenne Kirche Gestalt werden lassen“, sagt Bischof Tilman Jeremias. „Wir können uns als Nordkirche glücklich schätzen, dass mit Anna von Roenne eine Psychologin und Weitgereiste aus ihrem großen Erfahrungsschatz schöpfen kann. Jahrzehntelang hat sie sich für Menschen in Grenzsituationen engagiert. Sie bringt eine Liebe zur christlichen Spiritualität mit, ist begeistert von einer lebendigen Kirche und packt gerne mit an.“

 

Als Psychologin an der Grenze von Leben und Tod

 

Anna von Roenne wurde 1965 geboren und wuchs in Hamburg-Blankenese auf. Mit Anfang 20 lernte sie bei einem Praktikum in einem kirchlichen Krankenhaus in New York die klinische Seelsorge kennen: „Als Psychologin haben mich immer Orte interessiert, die 24 Stunden am Tag geöffnet und für Menschen in Not da sind. In der Klinik gab es viele existenzielle Momente: Wir wurden gerufen, um den Angehörigen mitzuteilen, dass ihre Lieben verstorben sind, zu stillen Geburten und ich habe auch Nottaufen vorgenommen. Dabei habe ich gelernt, dass es nicht darum geht, viele Worte zu machen. Sondern als Mensch zu zeigen, du bist hier gehalten und dafür stehe ich und habe die Bibel in der Hand.“

 

Mit ihrem Ehemann, einem Arzt, ging sie als fertige Psychologin zunächst nach England. Dort waren beide für den nationalen Gesundheitsdienst tätig, dazu machte sie eine Ausbildung zur systemischen Familientherapeutin. „Meine erste Stelle in England war eingerichtet worden, um Kindesvernachlässigung, Misshandlungen und Missbrauch vorzubeugen. Immer wieder ging es um die Frage, nimmt man Kinder aus der Familie oder belässt man sie darin. Dabei wird man immer schuldig, egal wie man entscheidet.“

 

Auf dem Höhepunkt der Aidskrise in Afrika

 

30 Jahre lang arbeiteten sie und ihr Mann im Auftrag der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit in der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei agierten sie häufig an den Grenzen des Lebens: Von 1993 bis 1997 waren sie auf dem Gipfel der HIV-Epidemie in Malawi: „Es gab damals keine wirksame Therapie, die Diagnose war ein Todesurteil und die Erkrankten wurden ausgegrenzt und stigmatisiert. Die Strategie war es, möglichst viel zu testen. Jeder bekam vor und nach einem solchen Test eine Beratung. Als Dozentin an der University of Malawi habe ich Beraterinnen und Berater dafür geschult. Außerdem haben wir Gemeinden dabei unterstützt, sich zuhause um ihre Sterbenden zu kümmern.“

 

Hat die Begegnung mit so viel Elend ihr Bild eines liebenden Gottes in Frage gestellt? „Mein Mann und ich waren oft an solchen Orten. Wir haben das nicht als Gottesferne wahrgenommen, sondern als Aufforderung, hinzugehen und etwas zu tun. Genau das ist doch die Botschaft Jesu.“

 

"Wir luden die verstümmelten Opfer in unser Haus ein"

 

Später lebten sie und ihr Mann, inzwischen als Familie mit zwei Kindern, sechs Jahre lang in Guinea, dicht an der Grenze zu Sierra Leone. Dort tobte zu der Zeit ein Bürgerkrieg um sogenannte „Blutdiamanten“. Viele verstümmelte Opfer seien damals über die Grenze gekommen. „Mein Mann hat sich im Krankenhaus um sie gekümmert und sah, wie sie von allen gemieden wurden. Wir luden sie dann in unser Haus ein zum gemeinsamen Essen und Videoschauen, denn sie sprachen weder Englisch noch Französisch. Damals erschien uns das ganz normal. Erst später, als ich einmal Malaria hatte, holten mich die Bilder dieser Verstümmelungen in meinen Fieberträumen ein.“

 

Bei mehrjährigen Aufenthalten in Pakistan und Indonesien lernte sie den Islam kennen und schätzen: „Mir hat dieses gemeinsame Beten fünfmal am Tag gefallen. Da sind alle gleich im Gebet vor Gott – vom Teekocher bis zum Chef. Wir sind mit dem Gebetsruf eingeschlafen und aufgewacht morgens. Immer wenn ich auf Reisen eine Moschee sehe oder eine Kirche oder Synagoge, fühle ich mich zu Hause: Da kommen Menschen zusammen und beten und sind sich der Gegenwart Gottes bewusst. Das sind heilige Orte.“

 

Mit 49 Jahren noch einmal Theologie studiert



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