Werte und Theologie
„Du bist wertvoll, weil Du da bist!“
Wertvoll, einfach nur, weil Du da bist – das ist der Satz, der in der Geschichte immer wieder Menschen elektrisiert hat, weil er individuell und gemeinschaftlich in angespannten Situationen gut tut: unabhängig von dem, was Du darstellst, was Du besitzt oder an Voraussetzungen mitbringst – Du bist da, Du bist wertvoll, und das ist gut so. Die bedingungslose Anerkennung der Person hat ihre tiefen Wurzeln in der jüdisch-christlichen Tradition, die von dem biblischen Bild der Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen ausgeht. Diese Sicht auf den Menschen und seinen Wert als Geschöpf wird immer wieder in Frage gestellt, aber sie ist einfach nicht aus der Welt zu schaffen. Sie stand Pate bei der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 und hat in Deutschland Verfassungsrang: Die Würde des Menschen ist unantastbar. (Artikel 1, Absatz 1, Grundgesetz). Das dahinter stehende Menschenbild korrespondiert mit der auf allen Kontinenten anzutreffenden Vorstellung von der Gleichwertigkeit aller Menschen, ihrer Gleichwürdigkeit und Gleichwichtigkeit. Sie trägt ein unauslöschliches Sehnsuchtspotential in sich, das in den Weltreligionen und in bedeutenden Denkschulen anzutreffen ist. Die verbindenden Fragen sind: Was schützt den unabdingbaren Wert eines Menschen? Was ist lebensdienlich und was lebensfeindlich? Die Antworten bieten auch in stürmischen Zeiten eine verlässliche Orientierung.
In jüngerer Zeit beschäftigen sich Theologinnen und Philosophen verstärkt mit der Überlegung, wieso dieses auch die partizipatorischen Demokratien leitende Grundverständnis vom Menschen und seinen Rechten eigentlich auf die Gattung Mensch beschränkt sein oder jedenfalls vorrangig angewendet werden soll. Das biblische Bild von der Schöpfung bezieht Himmel und Erde, Luft und Meere, Pflanzen und Tiere, jedoch auch den Rhythmus von Tag und Nacht ebenso wie den Menschen in die Beschreibung der Kostbarkeit der gesamten natürlichen Umwelt mit ein: „Und Gott sah, dass es gut war“ heißt es am Ende der Schöpfungserzählung am Anfang des ersten Teils der Bibel, dem Alten Testament. In menschlicher Sprache wird ist hier von Gott und seinem geruhsamen Reflektieren angesichts der Erschaffung der Erde und allen Lebens die Rede.
In der Tat kommt es auf die gleiche unbedingt bejahende Haltung der Gleich-Achtung gegenüber allen „anders-als-menschlichen Wesen“ an. Sie ist der Schlüssel für ein friedfertiges Miteinander auf unserm Planeten, das von überkommenem Herrschaftsdenken abrückt. Sie korrespondiert mit einer intelligenten Nächstenliebe, die keine Unterschiede macht. Es war der Theologe und Mediziner Albert Schweitzer, der von der ärztlichen Tätigkeit in Zentralafrika inspiriert seine berühmt gewordene Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“ formulierte: alles Dasein unter dem Blickwinkel der Unverfügbarkeit zu betrachten, führt zum in-Schutz-Nehmen der gesamten Schöpfung.
Im Zeitalter der Spätmoderne kann nicht oft genug daran erinnert werden, dass meine Handlungen, meine Verbrauchsgewohnheiten und Ressourcenverwendungen Auswirkungen auf andere Mitglieder der Menschheitsfamilie haben – selbst wenn sie weit entfernt leben oder einer anderen Kultur angehören. Auf unsere Industrienation in Europa fokussiert, führt an der Erkenntnis kein Weg vorbei, dass diejenigen die am wenigstens zur menschengemachten Erderwärmung beitragen, am schlimmsten an ihren Folgen leiden. Deshalb gilt es zu verinnerlichen: mein lokalen Handeln hat Konsequenzen für Mitmenschen in aller Welt, insbesondere im globalen Süden. Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, als ein Land mit erheblicher Wirtschaftskraft besonders auf einen zügigen technologischen Umstieg zu achten - weg von der Verbrennung exorbitanter Mengen an Kohle, Öl und Gas, als ob es kein Morgen gäbe. Spätestens wenn Jugendliche und Kinder mich nach ihren Zukunftsaussichten fragen, muss ich eingestehen, dass ich die Kollaboration an einem Ressourcenverbrauch und Umweltverschleiß billigend in Kauf genommen habe, die auf Kosten der mir nachfolgenden Generationen geht.
Das Engagement der Kirchliches EnergieWerk GmbH versteht sich als ein Beitrag zur sozialverträglichen Umstellung bei der Energiegewinnung, um so schnell wie möglich die Verlangsamung der bedrohlichen Erderhitzung zu begünstigen. Bei der Errichtung sinnvoller Anlagen zur Nutzung von Wind- und Sonnenenergie sind dabei drei wesentliche Aspekte im Blick:
+ Photovoltaikanlagen, moderne Heizungssysteme oder Windenergieanlagen halten stets die fachlich fundierten Vorgaben ein, die der Naturschutz, der Brandschutz, der Schall- und Landschaftsschutz erforderlich machen. Das ausdifferenzierte Genehmigungswesen verdient dem Grunde nach allen Respekt ebenso wie das Vertrauen in die demokratische Kontrolle der umfassenden und differenzierten Vorschriften.
+ Technischer Fortschritt, wie wir ihn derzeit in atemberaubendem Tempo bei der Weiterentwicklung der innovativen energetischen Lösungen erleben, wird in der Erwartung weitergehender Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung angewendet.
+ Die technologischen Antworten auf die Erderwärmung ersetzen die geistige und mentale Arbeit an einer zeitgemäßen inneren Haltung nicht – weg vom Anspruchsdenken hin zu mehr Demut vor der Schöpfung und der Anerkennung der Grenzen des Machbaren. Es ist wichtig, es als Illusion wahrzunehmen, dass allein die technisch basierte Energiewende die Erderwärmung abwendet und gleichzeitig das bisherige Wohlstandsniveau in den Industrieländern weiter garantiert. Es geht auch darum, selbstkritisch aus der Gefangenschaft überzogener Konsumgewohnheiten herauszutreten. Die Entwicklung von Lebensqualität ohne überwiegend materielle Ausrichtung zu erlernen und die Mitverantwortung im globalen Horizont schon aus Gründen einer gerechteren Ressourcenverteilung wahrzunehmen. Die schlichte Frage lautet: worauf kann ich verzichten?
Die französische Philosophin Corine Pelluchon plädiert in ihrem neuesten Buch dafür, Schmerz und Niedergeschlagenheit angesichts der Endlichkeit unseres Daseins bewusster ins Auge zu schauen. In der Auseinandersetzung mit Ängsten, wie z. B. der Klimaangst, sei es aussichtsreich, sich der Realität eines globalen Kollapses zu stellen. „Paradoxerweise ist die Konfrontation mit einem radikalen Verlust der Schlüssel, um sich wieder mit anderen zu verbinden, der eigenen Existenz trotz ihrer Fragilität einen Sinn zu geben und Produktions- und Konsummuster sowie Seinsweisen zu fördern, die das Vertrauen in sich selbst und in die Zukunft wiederherstellen.“ Nur so könnten sich das Unverhoffte ereignen und gangbare Wege erschließen lassen: „Hoffnung ist da. Sie ist das Rauschen des Unendlichen im Endlichen. Sie gleicht dem Meer, dem Klang der Wellen und des Windes, ihrem Säuseln, dem Glitzern des Wassers.“ (Pelluchon, Corine: Die Durchquerung des Unmöglichen. Hoffnung in Zeiten der Klimakatastrophe, München 2023, S. 24, 149)
W.v.Rechenberg