Zur Geschichte der evangelischen Kirche in Reutershagen

Im Vergleich zu anderen Rostocker Kirchgemeinden ist die evangelische Kirche in Reutershagen eine noch sehr junge. Ihre Geschichte reicht lediglich bis in das 20. Jahrhundert zurück. Dennoch kann die evangelische Kirche in Reutershagen auf sehr bewegte Jahrzehnte zurückblicken. Aus Anlass des 80-jährigen Jubiläums des Stadtteils Rostock-Reutershagen im Jahr 2002 hat Horst Vogt-Courvoisier ihre Entwicklung in einer Chronik zusammengefasst.

Die Anfänge

Die evangelischen Kirchenmitglieder von Reutershagen gehören zur Heiligen-Geist-Gemeinde. Gottesdienste finden in der Heiligen-Geist-Kirche am Margaretenplatz statt. Andere Veranstaltungen werden in den Nebenräumen der Heiligen-Geist-Kirche durchgeführt und später auch im Gemeindehaus Hundertmännerstraße 1.

Der Name der Kirche geht auf den jener Heiligen-Geist-Kirche zurück, die am Hopfenmarkt stand (heutiger Standort der Deutschen Bank) und zum Hospital zum Heiligen Geist gehörte. Die Hospital-Kirche zum Heiligen Geist wurde 1818 wegen Baufälligkeit abgebrochen. Geblieben ist das Pfarrhaus des Hospitals zum Heiligen Geist (heute Stadtbibliothek) sowie der Name „Heiligengeisthof“. Die Hospitalverwaltung, die den Grund und Boden verwaltete, bestand bis 1928 und war die Vertragspartnerin beim Verkauf von Bauland 1921 an die Siedler am Druwappelplatz und im Liningweg.

1937

In der Zwischenzeit sind auch die Siedlung Reutershagen, das Komponistenviertel und das Ostmarkenviertel (später Wiener Viertel genannt) entstanden. Für die Siedlung Reutershagen wird ein gemieteter Raum im Haus Bräsigplatz 2 als Gottesdienst- und Unterrichtsraum genutzt.

Die kirchliche Arbeit ist stark angewachsen. Demzufolge wird bei der Heiligen-Geist-Gemeinde ein Vl. Pfarrbezirk eingerichtet, dessen Pastor für diesen Bereich zuständig ist. Aber dieser Bereich bleibt bis nach dem Krieg ohne kircheneigene Räume. Die Wege sind weit bis zur Margaretenstraße und zur Hundertmännerstraße.

1946

Gottesdienste und andere Veranstaltung1946en finden nun am Wiener Platz Nr. 2 und später Nr. 5 statt. Gleichzeitig wird der Vl. Pfarrbezirk der Heiligen-Geist-Gemeinde ausgegliedert und zur selbständigen Kirchgemeinde Rostock Nordwest erhoben.

Noch im selben Jahr wird der Weg zu kircheneigenen Räumen beschritten. Am Schwanenteich (Standort Kunsthalle) werden ca. 5.000 qm Bauland von der Stadt für zehn Jahre gepachtet. Die Grundsteinlegung für eine Barackenkirche findet im November statt.

1947

Der Name der Kirchgemeinde Rostock Nordwest lautet jetzt: Luther-Gemeinde. Zur Luther-Gemeinde gehören die Rostocker Stadtteile: Reutershagen, Komponistenviertel, Ostmarkenviertel, Barnstorf, Bramow, Schutow und Marienehe.

 

Am 12. Oktober wird die Barackenkirche am Schwanenteich eingeweiht und erhält den Namen: Luther-Kirche. In der Luther-Kirche finden nun in kircheneigenen Räumen Gottesdienste und andere Veranstaltungen statt.


1950

Ein Glockenturm wird für die Luther-Kirche errichtet

 

In diesen Jahren gründet sich auch ein Posaunenchor.


1954

Der Stadtteil ist mit dem Bau des Viertels Reutershagen I rasant gewachsen. Die Luther-Gemeinde wird in zwei Gemeinden geteilt. Der Name der neuen Gemeinde lautet: St.-Andreas-Gemeinde

Die Luther-Gemeinde und die St.-Andreas-Gemeinde nutzen nun gemeinsam die Räume der Luther-Kirche. Die katholische St.-Josef-Gemeinde führt seit diesem Jahr ihre Gottesdienste ebenfalls in der Luther-Kirche durch.

1956

Für die Luther-Gemeinde wird am 27. Mai in der Robert-Schumann-Str. 25 ein Gemeindehaus eingeweiht –  das Martin-Luther-Haus. Das Martin-Luther-Haus wurde auf einem größeren Austausch-Grundstück der St.-Marien-Gemeinde errichtet. Die Luther-Gemeinde hat das Grundstück für 99 Jahre gepachtet. Auf demselben Grundstück wurde der Bau einer massiven Luther-Kirche geplant. Der Bau wurde aber nicht verwirklicht.

1958

Ab 16. Juni wird die Luther-Kirche am Schwanenteich abgebrochen. Die Stadt verweigerte – offenbar aus politischen Gründen – die Verlängerung des Pachtvertrages für das Grundstück. Nach langwierigen Verhandlungen zwischen den Landessuperintendenten, dem leitenden Geistlichen der evangelischen Kirchgemeinden in der Stadt, und andererseits Vertretern des Rates der Stadt stellt die Stadt ein Ultimatum für den Abbruch.

Noch immer Streit um die Luther-Kirche am Schwanenteich

Amtliche BekanntmachungIm Juni 1958 erschien in allen Rostocker Tageszeitungen folgende Bekantmachung, unterzeichnet vom damaligen Oberbürgermeister.

 

Daraufhin antwortete der Landessuperintendent nach vorangegangener Rücksprache mit dem Pastor der Luther-Gemeinde wie folgt.

 

Die Barackenkirche wird am Krischanweg neu errichtet. Das Grundstück ist ebenfalls ein Austauschgrundstück der St.-Marien-Gemeinde und wird von der St.-Andreas-Gemeinde für 99 Jahre gepachtet. Am 20. Dezember wird die Kirche eingeweiht und erhält den Namen St.-Andreas-Kirche.

 

Die Andreas-Kirche wird von den beiden evangelischen Kirchgemeinden und bis 1963 auch von der katholischen Pfarrgemeinde genutzt. Ein schönes Freigelände macht Veranstaltungen verschiedenster Art möglich.

 


1962

Das Doppelwohnhaus in der Robert-Schumann-Straße 27/28 wird bezugsfertig.

1975

Im November/Dezember wird die Barackenkirche am Krischanweg wegen Baufälligkeit abgebrochen.

 

In der eineinhalbjährigen Bauzeit werden alle Veranstaltungen der Luther-Gemeinde und der St.-Andreas-Gemeinde im Martin-Luther-Haus durchgeführt.


1977

Am 8. Mai wird das neue Gemeindezentrum mit dem alten Namen St.-Andreas-Kirche im Krischanweg 6 eingeweiht.

 

Es ist ein Neubau, der im Rahmen des Sonderbauprogramms des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR möglich wurde. Die Bauleistungen wurden in Valuta (DM) bezahlt.


1981

Der neue Glockenturm der St.-Andreas-Kirche wird seiner Bestimmung übergeben.

1982

Erzbischof Melchisedek der Russisch-Orthodoxen Kirche besucht die St.-Andreas-Gemeinde.

Erzbischof Melchisedek, Exarch der Russisch-Orthodoxen Kirche für Berlin und Mitteleuropa, besuchte am 28. Oktober 1982 die St.-Andreas-Gemeinde und hielt einen Vortrag über die Geschichte der Russisch-Orthodoxen-Kirche. Sein Vortrag wurde übersetzt von seinem Referenten. Melchidesek begann seinen Vortrag mit den Worten:

„Ich grüße Sie herzlich, liebe Gemeindeglieder der St.-Andreas-Gemeinde. Ich bin um so lieber zu Ihnen in Ihre Gemeinde gekommen, als Sie nach Andreas, dem Apostel, Ihre Gemeinde benannt haben, ist doch der heilige Andreas der Schutzheilige der Russisch-Orthodoxen Kirche und gilt der Überlieferung nach als der eigentliche Begründer der russischen Orthodoxie. In der Nestor-Chronik schreibt ein Mönch ... von einer alten Überlieferung, der zufolge der Apostel Andreas auf dem Fluss Dnjepr stromaufwärts vorausgesagt, dass hier die gnade Gottes eine Heimstätte für eine große Kirche schaffen werde. Das gehört zur Vorgeschichte der russischen Kirche."

 

Mosaik des Apostels Andreas in der St.-Andreas-Kirche

Mosaik Apostel AndreasIm Vorraum der St.-Andreas-Kirche befindet sich ein Mosaik mit dem Apostel Andreas. Es wurde unter Leitung von Frau Gertrud Maaß (†) zusammen mit den Gemeindemitgliedern angefertigt und hing bereits in der vormaligen Barackenkirche am Krischanweg. Beim Neubau der St.-Andreas-Kirche wurde es an bevorzugter Stelle in die Wand eingelassen.

Nach der Legende starb der Apostel Andreas in Südrussland als Märtyrer an einem schrägen Kreuz. Das Andreaskreuz ist Attribut des Andreas.

Übrigens heißt nach der geltenden Straßenverkehrsordnung das Warnkreuz an Bahnübergängen „Andreaskreuz“ (§19).


1996-1999

In diesen Jahren wirken die evangelischen Kirchgemeinden und die katholische Pfarrgemeinde gemeinsam mit einem Kinderprogramm beim traditionellen Fischerfest am Schwanenteich mit.