Christenlehre
Unser Angebot
In unserer Kirchengemeinde wird Christenlehre für Kinder von der 1. bis 4. Klasse angeboten. Die Kinder treffen sich jeden Dienstag außerhalb der Ferien mit Pastor Lagies um 15:15 Uhr im Gemeindehaus.
Christenlehre – Entwicklung vom Mittelalter bis heute
Katechese darf als Ausgangsbegriff für die spätere Christenlehre verstanden werden. Bereits im Neuen Testament wird für die mündliche Unterweisung im christlichen Glauben das Wort „katechesis“ verwendet. Katechese dient als Sammelbegriff für die verschiedensten Formen der Unterweisung. Zunächst ging es vor allen Dingen um den Lernprozess, der auf die Taufe vorbereitet. Das kirchliche Bedürfnis die Lehre des Glaubens durch Unterweisung allen Menschen zugänglich zu machen, ließ bereits seit 1425 den Begriff Christenlehre aufkommen. In der Zeit der Reformation entsteht der „Katechismus“ als neue Buchgattung, mit der der christlichen Unterweisung ein Rahmen und der aufkommenden Volksschule ein Material zur Verfügung gestellt wurde. Besondere Bedeutung gewannen in diesem Zusammenhang die Katechismuspredigten, die das Glaubensverständnis des Volkes festigen sollten. Sie wurden meist sonntags nach dem Gottesdienst oder am Nachmittag als eigenständige Veranstaltung für alle Altersgruppen abgehalten. Etwa im 17. Jh. bürgerte sich für diese Predigten, der schon zuvor genutzte Name Christenlehre ein.
1526 forderte Martin Luther dazu auf, den Katechismus auswendig zu lernen und sich anschließend um das Verstehen zu bemühen. Das memorierende Einprägen elementarer theologischer Kenntnisse prägte über mehrere Jahrhunderte wesentlich die Katechetik. Die Einführung der Konfirmation im 16. Jh. mit ihrem vorgeschalteten sogenannten Katechismusverhör als Zulassungsvoraussetzung zum Abendmahl hat wesentlich zur Verstetigung dieser Lernform beigetragen. Bald bezog sich Christenlehre ausschließlich auf die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen.
Lernort Schule – Lernort Gemeinde
Mit der Einführung von Schulwesen und Schulpflicht für Kinder verlagerten sich auch Aufgaben der Christenlehre, die sukzessive im Unterrichtsfach Religion aufgingen.
Der Charakter der gemeindlichen Katechese musste immer wieder neu bestimmt werden. Besonders Ende des 19. / Anfang des 20. Jh. haben daneben sozialreformerische Initiativen wie die Sonntagsschule neue katechetische Formen hervorgebracht. Die zeitliche Platzierung vor dem sonntäglichen Gottesdienst sowie die Durchführung in der Verantwortung des Pfarrers (etwa ab den 1930er Jahren) haben sicher maßgeblich zur Stärkung des gottesdienstlichen anstelle des lehrenden Charakters beigetragen. Die Sonntagsschule darf als Vorläufer des heutigen Kindergottesdienstes verstanden werden.
In der nationalsozialistischen Ära kam es zur „Reduzierung bzw. Abschaffung des Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen“1, somit mussten die Kirchen die religiöse Bildung der Kinder selbst organisieren. So bekam der Begriff Christenlehre zunehmend eine politische Dimension. Mit Verbindlichkeit für alle Altersstufen und unabdingbarem Gemeindebezug ging es um Wort und Bekenntnis zur Lehre Jesu Christi und den Schriften des Alten und Neuen Testaments. Christenlehre verstand sich in der Weisung unter Gottes Wort und in die Gemeinde hinein. Sie wurde damit zum Programmwort der Bekennenden Christen gegen die völkische Kirche. Nach 1945 wurde der Religionsunterricht wieder ermöglicht. Die Sowjetische Militäradministration setzte „die Trennung von Staat und Kirche radikal durch“, der Religionsunterricht wurde Angelegenheit der Kirchen, Bildung allein Aufgabe des Staates.2 So wurde der Religionsunterricht in der DDR kein ordentliches Lehrfach, aber in der Verfassung von 1949 verankert. Die Durchführung war in der Praxis erschwert und beispielsweise durch Erlasse aus der Schule gedrängt.3 In der Verfassung von 1968 kam der Religionsunterricht nicht mehr vor. Die Kirchen waren genötigt sich mit ihrem Bildungsangebot in die Gemeinden zurückzuziehen. Das wurde zur entscheidenden Wegmarke der Entwicklung der Christenlehre in der DDR.
Die religiöse Bildungshoheit lag damit nach 1945 uneingeschränkt bei der Kirche. Im Fokus stand eine unterrichtliche, plangeleitete und nach Altersstufen gegliederte Verkündigung für Heranwachsende. Rahmenlehrpläne wurden erstellt und eine Mitarbeiterschaft für den katechetischen Dienst ausgebildet. Seit Wiedereinführung des schulischen Religionsunterrichts in Ostdeutschland in den 1990er Jahren galt es, die Bedeutung beider Lernorte hervorzuheben und ihr Verhältnis zueinander immer wieder neu auszuloten.
Inhaltliche Ausrichtung und intentionale Dimension
In den 1970er Jahren vollzog sich eine pädagogische Neuorientierung der evangelischen Kirchen insgesamt. Das Verständnis der Gemeinde als Lerngemeinschaft erforderte neue pädagogische Anstrengungen und gemeinsame pädagogische Verantwortung. Aus der katechetischen Idee, die altersspezifisch umgesetzt wurde, entwickelte sich eine Gemeindepädagogik, die inzwischen sektoral und dimensional Gestalt gefunden hat. Neben dem unterrichtlichen Aspekt hatte die Begleitung der Teilnehmenden zunächst gleichwertige Bedeutung. Sie dominierte nach und nach und prägte schließlich weitgehend den Charakter der Christenlehre.
Mit einem Werbeblättchen4 wird in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg (EKIBB) Anfang der 1990er Jahre der Versuch einer Beschreibung der Christenlehre unternommen. Dabei fungiert das Wort als Oberbegriff für unterschiedliche Aktivitäten. Wöchentliche Christenlehre gehört ebenso dazu wie Kindergottesdienste und -bibeltage, Vorschulkreise, Laienspielgruppen und Instrumentalkreise, Rüstzeiten und Spielnachmittage. Unter dem Titel Oase für Kinder in unserer Gemeinde benennt die Veröffentlichung vor allen Dingen drei Zielrichtungen:
- Kinder werden mit der guten Nachricht von Jesus Christus bekannt
- Kinder bekommen ein Übungsfeld für ihren Glauben
- Kinder erleben sich als Glieder einer großen Gemeinde, in der sie gleichberechtigt angenommen
Neben Verkündigung und Unterweisung zielt Christenlehre auf das Erleben von Gemeinschaft, bietet Begleitung und ermöglicht die Erfahrung von Seelsorge.
Subjekt- und Lebensweltorientierung sind die Schlüsselworte, die seit dieser Zeit methodisch vielfältig die Didaktik prägen. Der 1998 veröffentlichte Rahmenplan5 stellt den inhaltlich-fachlichen Leitfaden zur Verfügung. Dieser formuliert als Gesamtintention: „In der Begleitung der Gemeinde sollen die Kinder das Evangelium als befreiendes und orientierendes Angebot erfahren. Damit soll ihnen geholfen werden, die Welt zu verstehen, Lebenssituationen zu bestehen und mit der Gemeinde zu leben. So sollen sie erfahren, wie Christen in einer pluralistischen Gesellschaft verantwortlich vor Gott leben können.“
Aktuelle Herausforderungen
Die rasanten gesellschaftlichen Veränderungen seit dieser Zeit haben sich auch auf die Christenlehre ausgewirkt. Mit der Wiedereinführung des schulischen Religionsunterrichts und dem Engagement der Landeskirche im öffentlichen Bildungsbereich veränderten sich Rahmenbedingungen, verringerten sich Ressourcen und verschoben sich konzeptionelle Schwerpunkte der Arbeit mit Kindern. Die Tendenz bestand, der projektartigen Arbeit, sozialräumlichen Angeboten sowie schulkooperativem und jugendpolitischem Engagement den Vorrang zu geben. Als kontinuierliches Gruppentreffen bewegt sich die Christenlehre nach wie vor ebenso zwischen Kindergottesdienst und schulischem Religionsunterricht wie zwischen sozialräumlich orientiertem Freizeitangebot und seelsorgerlichem Handeln. Die überaus individuelle Ausgestaltung der Christenlehre entspricht den Interessen, Bedürfnissen und Lebenslagen der teilnehmenden Kinder, trägt den jeweiligen Rahmenbedingungen Rechnung und lässt den Leitenden Spielraum ihre eigenen Stärken und Kompetenzen einzubringen. Eine konzeptionelle Vergleichbarkeit aber ist dadurch nahezu unmöglich.
Dieser Artikel entstand 2019 im Rahmen der Arbeitsgruppe Christenlehre in der EKBO.
Jens Blanck, Kreisbeauftragter für die Arbeit mit Kindern im Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree Simone Merkel, Studienleiterin für gemeindliche Arbeit mit Kindern im Amt für kirchliche Dienste in der EKBO.