Zukunft für ungenutzte Kirchen Sorge um die alten Schätzchen in der Nordkirche

Von Nadine Heggen

Die Kirche in Kessin (Gemeinde Grapzow) von 1896 hat einen Sanierungsbedarf vom Fundament bis zum Dach.

Foto: Wikipedia

25.07.2024 · Oeversee/Kessin. Die meisten haben schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel: An vielen Kirchen im Norden nagt der Zahn der Zeit. Da die Kirche nicht alle Gebäude unterhalten kann, wird in der Nordkirche über eine Stiftung für ungenutzte Kirchen nachgedacht.

So schön sie meistens sind: Alte Gebäude bereiten auch Ärger. Das weiß besonders die Kirche, die einige betagte Schätzchen zu pflegen hat. Die evangelische Nordkirche unterhält in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg 2.400 Kirchen, Kapellen und Gemeindehäuser. „Davon stehen über die Hälfte unter Denkmalschutz, in Mecklenburg-Vorpommern sind es sogar über 90 Prozent“, sagt Nordkirchen-Pressesprecher Dieter Schulz.

 

An vielen nagt der Zahn der Zeit. Bei neun Kirchen sind die baulichen Mängel so groß, dass sie schließen mussten. Fünf stehen in Mecklenburg-Vorpommern, vier in Schleswig-Holstein. Ein paar werden nach einer Sanierung wieder öffnen. Dazu gehört etwa die St. Georg-Kirche in Oeversee im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg. Die fast 1.000 Jahre alte Kirche wurde Anfang April geschlossen, weil der Dachstuhl droht einzustürzen. In den kommenden Monaten soll er stabilisiert werden.

 

Überlegungen in MV

 

Für einige Kirchen sieht es aber düster aus. Im Kirchenkreis Pommern sind zwei Kirchen betroffen, die Feldsteinkirche in Papendorf und die Kirche in Kessin in der Gemeinde Grapzow von 1896. Bei beiden ist eine Wiederöffnung aufgrund unsicherer Finanzlagen nicht absehbar. In Kessin erstreckt sich der Sanierungsbedarf vom Fundament bis zum Dach. Inzwischen ist die Kirchengemeinde bereit, sich von dem Gebäude zu trennen, wenn es einen Interessenten für eine alternative Nutzung gibt.

 

Aufgrund sinkender Kirchenmitgliedszahlen sind solche Überlegungen kein Einzelfall. Der Kirchenkreis Mecklenburg denkt derzeit über eine Stiftung nach, in die Gemeinden ihre Kirchengebäude, für die sie selbst keine sinnvolle Nutzung mehr sehen, abgeben können. Eine Arbeitsgruppe beschäftige sich derzeit damit, wie eine Stiftung mit der Kirchengemeindeordnung zu vereinen sei und welche Rechtsform möglich wäre, heißt es vom Kirchenkreis.

 

Petition "Kirchenmanifest"

 

Auch auf Bundesebene wird die Gründung von Stiftungen zum Erhalt von Kirchen diskutiert. Im Mai hatte ein Bündnis aus zehn Organisationen und Vereinen aus Baukultur, Forschung und Stiftungswesen die Petition „Kirchenmanifest“ veröffentlicht. Kirchen und ihre Ausstattungen gehören zu den „wichtigsten Zeugnissen des Kulturerbes in Europa“, heißt es in dem Manifest, das inzwischen mehr als 18.000 Menschen unterzeichnet haben.

 

Zu den Initiatoren gehört die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Pressesprecherin Ursula Schirmer erklärte, die Stiftung wolle frühzeitig die „Rolle des Mahners“ übernehmen. „In den kommenden zehn Jahren wollen sich die Kirchen von Zweidrittel ihrer Gebäude trennen. Für uns Denkmalschützer ist das alarmierend.“ Es müsse jetzt diskutiert werden, welche Kirchen aufgrund ihres kulturellen Werts unverzichtbar seien und wie man sie alternativ nutzen könne, wenn die Kirche selbst es nicht mehr kann. Die Marienkirche in Neubrandenburg, die mit Städtebaumitteln zur Konzertkirche umfunktioniert wurde, sei ein gutes Beispiel.

 

Auch der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Johann Hinrich Claussen, findet es wichtig, dass die Zukunft der Kirchbauten ein Anliegen der ganzen Gesellschaft wird. „Hier ist auch die Politik gefragt.“ Es gebe bereits Kirchen-Stiftungen in Deutschland, die aber nicht einfach auf andere Regionen übertragen werden könnten. Deshalb sei das Vorhaben in Mecklenburg sehr interessant. „Wir brauchen Konzepte, die regional angemessen sind.“

 

Kosten übersteigen Mittel aus Kirchensteuern

 

Nach Angaben der Nordkirche übersteigen die Kosten für den Unterhalt aller Kirchengebäude bei Weitem die Mittel aus Kirchensteuern. Es gebe Bauten wie den Schleswiger Dom oder die Innenstadtkirchen in Lübeck, die öffentlich wahrgenommen werden und für die ein großer Anteil an Förderung und Spenden zusammenkomme, sagt Sprecher Dieter Schulz.

 

Viele Kirchen stünden aber nicht im Rampenlicht. In Hamburg etwa sind hauptsächlich die in den Nachkriegsjahren erbauten Kirchen betroffen, die anders als die jahrhundertealten Kirchen im ländlichen Raum nicht die Akzeptanz in der Gesellschaft hätten.

 

Oft gebe es auch mehr Kirchen als angesichts sinkender Mitgliederzahlen nötig. Der Kirchenkreis Hamburg Ost setze statt auf Baumaßnahmen nun vermehrt auf die Beratung der Kirchengemeinden zu Fusionsprozessen. Ein Satz, den Denkmalschützer vermutlich nicht gern hören.

Quelle: epd