Ökumenischer Gottesdienst im Dom zu Schwerin zum Mauerfall vor 25 Jahren„Dieser wunderbare deutsche Beitrag zur Weltfreiheitsgeschichte“
09.11.2014 | Schwerin (std). Vor 25 Jahren fiel die Mauer: Mit einem Ökumenischen Gottesdienst im Schweriner Dom erinnerten die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) sowie die katholischen Erzbistümer Hamburg und Berlin heute (9. November) an die friedlichen Revolution im Herbst 1989.
„Dieses Gedenken ist nicht nur rückwärtsgewandt, nicht nur dankbares Erinnern an Gewesenes, sondern dringend nötig, um Zukunft zu gestalten“, erklärte Landesbischof Gerhard Ulrich (Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland), in der Predigt, die er gemeinsam mit Diözesanadministrator Ansgar Thim (Erzbistum Hamburg) hielt. „Ich war damals Kaplan in dieser Stadt. Mit vielen tausenden Demonstranten – mit Kerzen in der Hand, gestärkt durch das Friedensgebet – demonstrierten wir auf den Straßen Schwerins“, schilderte Thim.
Gottes Wort befreit von Duckmäusertum und Angst
„Ohne die heilsame Sprengkraft der Seligpreisungen ist für mich die friedliche Revolution in der damaligen DDR nicht zu erklären – dieser wunderbare deutsche Beitrag zur Weltfreiheitsgeschichte“, hob Landesbischof Ulrich hervor. „Da hat eine Diktatur friedlich die Macht abgegeben – auch weil das subversive Quellwasser des Wortes Gottes, wie es in der Bibel bezeugt ist, nicht einzumauern war und weil keine Mauer die Sehnsucht nach Recht und Freiheit und Schalom, Frieden, halten kann.“ Das Wort Gottes befreie „von Duckmäusertum und Angst“ und zu einer Haltung, „die den Aufstand wagt gegen allen Kleingeist, gegen Mitläufertum“, sagte Landesbischof Gerhard Ulrich. „Das ist die Haltung, die die Schwachen und Ängstlichen mitnimmt, weil sie gebraucht werden für die Sache des Friedens und der Freiheit“. Daran zu erinnern, sei dringend nötig: „Gegen wieder aufkommenden Fremdenhass, gegen Gewalt und Terror, gegen Vertreibung und Mord. Und gegen Gleichgültigkeit.“
Diözesanadministrator Thim betonte: „‚Wir sind das Volk!‘ – die mit diesen Worten verbundene gewaltlose Macht hat die Mauern eines Unrechtsstaates einstürzen lassen. Wir glauben, dass Gott die Macht und den tatsächlichen Willen auch heute hat, seine frohe Botschaft gegen das Böse in dieser Welt durchzusetzen. Darum findet ER auch heute viele menschliche Herzen, die seinem Ruf folgen und Verantwortung übernehmen. Damit meine ich nicht nur Christen, sondern alle Menschen, die guten Willens sind.“
Kollekte für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien
Der Gottesdienst stand unter dem biblischen Leitwort „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen“ aus dem Buch des Propheten Micha (Kapitel 4, Vers 3) im Alten Testament der Bibel. Das Erzbistum Berlin wurde durch Dompropst Prälat Ronald Rother vertreten, der die gottesdienstliche Lesung der Seligpreisungen aus der Bergpredigt Jesu im Matthäusevangelium übernommen hatte.
Neben zahlreichen Besuchern aus den Kirchengemeinden Schwerins und darüber hinaus haben auch die Ministerpräsidenten Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern) und Torsten Albig (Schleswig-Holstein) sowie weitere Gäste aus Politik, Kirche, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur am Gottesdienst teilgenommen. Im Anschluss findet der gemeinsame Festakt der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zum Jahrestag des Mauerfalls im Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin statt.
Die Kollekte im Gottesdienst war bestimmt für die kirchlichen Hilfsorganisationen Caritas International und Diakonie Katastrophenhilfe. Mit dem gesammelten Geld wollen die Kirchen die humanitäre Hilfe unterstützen, die beide Organisationen für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien leisten.
Musikalisch gestalteten den Gottesdienst Domkantor Jan Ernst sowie ein Ensemble aus jungen Bläserinnen und Bläsern aus Mecklenburg-Vorpommern unter der Leitung von Landesposaunenwart Martin Huss.
Der Ökumenische Gottesdienst am 25. Jahrestag des Mauerfalls war zugleich der Beginn der diesjährigen Ökumenischen Friedensdekade unter dem Motto „Befreit zum Widerstehen“. Während des Gottesdienstes wurde auch zum Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 um 18 Uhr vor der Schweriner Synagoge auf dem Schlachtermarkt eingeladen.