Land will seine Probleme bei EU-Förderung zum Erhalt von Dorfkirchen klärenVertreter der Kirchbaufördervereine und Einzelspender trafen sich in Neustrelitz
27.06.2010 | Neustrelitz (cme). Kirchen an sich sind nicht heilig. „Vieles ist möglich an Begegnungen und Veranstaltungen, nicht nur ,rein Religiöses’. Was sich vor dem Kreuz Christi nicht verstecken muss, kann in unseren Kirchen geschehen. Aber es braucht immer wieder auch Gemeinde, nicht nur Publikum, damit unsere Kirchen bleiben können, was sie sind. Es braucht Gottes Wort und Gebet, damit unsere Kirchen Orte bleiben, an denen sich das Heilige ereignen kann.“ Darauf verwies Landesbischof Dr. Andreas von Maltzahn in der Andacht zum „Tag der Fördervereine und Einzelspender“ am Sonnabend (26. Juni 2010) in Neustrelitz. Die lebendige Nutzung der rund 580 Dorfkirchen und 84 Stadtkirchen in Mecklenburg
müsse „in Freiheit und Verantwortung geschehen“. Herzlich dankte der Landesbischof den 160 anwesenden Vertretern aus den 126 Kirchbaufördervereinen in Mecklenburg für ihr Engagement beim Erhalt der Zeugnisse aus Fels und Backstein. Bereits zum zwölften Mal fand der Austausch zwischen Ehrenamtlichen und Kirchbaufachleuten in der Mecklenburgischen Landeskirche statt.
Kirchenbaurat Karl-Heinz Schwarz aus dem Oberkirchenrat zog Bilanz und fasste diese in einer Zahl zusammen: „20 Millionen Euro konnten im Jahr 2009 verbaut werden“. Zu den herausragenden Projekten zählt der Tagungsort in Neustrelitz selbst: das frisch renovierte Borwinheim. Ebenso konnten Bauleute und Denkmalpfleger ihre Spuren beispielsweise an der Marienkirche Rostock, im Güstrower Dom, in der Stadtkirche Gadebusch und an den Dorfkirchen in Russow, Klinken oder Groß Salitz hinterlassen. Neue Gemeindezentren, die zugleich die Orte architektonisch aufwerten, entstanden in Herrnburg und Graal-Müritz. „Trotz dieser erfreulichen Entwicklung ist jede fünfte Kirche in Mecklenburg weiterhin gefährdet“, so Karl-Heinz Schwarz. So musste die Kirche Passee in Nordwestmecklenburg gesperrt oder das Gewölbe in Schlagsdorf im Kreis Ludwigslust notgesichert werden.
Dass Bürokratie nicht das gute Wollen für den Kirchbau in Mecklenburg Vorpommern untergraben möge, sprach Oberkirchenrat Andreas Flade an und kritisierte die seit Monaten verhängteBewilligungssperre des Landes beim EU-Förderprogramm „ELER“ (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) an. Knapp zehn Förderanträge für 2010 zum Erhalt von Dorfkirchen litten darunter. Der Vertreter des Bildungsministeriums, Dr. Enoch Lemcke, beschönigte nichts und sprach offen von einer „kritischen und bedrückenden Zeit“ und davon, dass das Land im Vorjahr „in die Fallstricke europäischer Bürokratie“ geraten
sei. „Wir sind bemüht alles neu über das Landesförderinstitut zu ordnen, um die Sperre aufzuheben“, so der Kultur-Abteilungsleiter. Über ein Ja zu Anträgen auf vorzeitigen Maßnahmebeginn wolle sein Haus die Probleme bei den Projekten ansatzweise lösen. Zugleich dankte er den Kirchen in MV für ihr Verständnis und ihre Geduld.
Passend dazu brach Professor Thomas Erne vom EKD-Kirchbauinstitut in Marburg eine Lanze für die Dorfkirche. In seinem Vortrag zum Thema „Orientierung im weiten Raum – Chance der Kirche und Hoffnung“ skizzierte er exemplarisch verschiedene Funktionen der Kirche im Dorf, „ohne einer verklärten dörflichen Idylle das Wort reden zu wollen“. So kehren laut Professor Erne in die Stadt gezogene Leute oft zu Taufen oder Hochzeiten bewusst in ihre heimatliche Dorfkirche zurück, da es dort „ein intaktes Vertikalbewusstsein“ gebe. Zudem funktionierten auf dem Land die sozialen Beziehungen besser. Erne: „Die Kirche steht hier so wie der Tisch zu Hause in der Mitte und dies bietet die Chance, ein Netz zu knüpfen.“ Vor diesem Hintergrund sei der Abgesang auf das Dorf nicht gerechtfertigt, es habe vielmehr die Chance zu überleben, so der Theologe.
In der Diskussion unterstützten einige Redner dieses Bild. Andere konterten mit Verweis auf die anhaltende Landflucht in Mecklenburg, dass Arbeit vor Ort entscheidend ist, damit Dörfer nicht aussterben.
Wie aktiv und lebendig - trotz vieler Probleme - manche mecklenburgischen Dörfer und deren Bewohner sind, war Berichten aus drei Fördervereinen zu entnehmen: Roggenhagen, Dammwolde und Zirzow. Deren Mitglieder sammeln nicht allein beeindruckend hohe Spenden ein und bringen tatkräftige Helfer auf der Kirchbaustelle zusammen, sondern geben mit kulturellen Veranstaltungen ebenso etwas an ihre Dörfer zurück und setzen Impulse für ein neu erwachtes Leben in den Orten.
Bei Exkursionen am Nachmittag nach Hohenzieritz, Rödlin und Wanzka konnten die Tagungsteilnehmer sich ein eigenes Bild vom Zustand einiger Kirchen rund um Neustrelitz machen und zugleich etwas über die Gemeindearbeit erfahren - beispielsweise im Gespräch mit Pastorin Pirina Kittel im Pfarrgarten in Rödlin. Zuvor hatte Kunsthistoriker Horst Ende in einem Vortrag faktenreich auf die eigenständige Geschichte der Kirchbauten im Stargarder Land verwiesen. Die Spuren der Baumeister des früheren Herzogtums Mecklenburg-Strelitz wie Dunkelberg, Wolf und Buttel seien bis heute sichtbar, etwa in den Rundkirchen wie in Gramelow und Hohenzieritz. Vor allem die preußische Baukunst und römische Vorbilder hätten diese Kirchbauten beeinflusst.
„Der Tag hat erneut den Erfahrungsaustausch gefördert“, resümierte Kirchenbaurat Schwarz zufrieden und ergänzte: „Zugleich konnten wir den zahlreichen engagierten Damen und Herren in den Fördervereinen und den Einzelspender einmal Danke sagen. Sie tragen sehr viel zum Erhalt der Kirchen bei.“ Im kommenden Jahr findet das Treffen übrigens im Umfeld des Evangelischen Kirchbautages in der Hansestadt Rostock statt. Thema der bundesweiten Tagung vom 23. bis 25. Juni 2011: „Kirchraum – Freiraum – Hoffnungsraum/Orientierung im demografischen Wandel.“