Berufliche Zufriedenheit im PastorenberufArbeitsbuch soll Beratungsprozess für Seelsorger einleiten
19.01.2011 | Lübeck/Kiel (nr). Die Pastorinnen und Pastoren im Bereich der zukünftigen Nordkirche sind in hohem Maße in ihrem Beruf zufrieden. Das ist ein Ergebnis der Umfrage unter den Seelsorgerinnen und Seelsorgern der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Pommerschen Evangelischen Kirche. An der Umfrage „Pastor/in im Norden" beteiligten sich im Frühjahr des vorherigen Jahres etwa 1200 Seelsorger, das sind mehr als 65 Prozent von den knapp 1900 in den drei Kirchen tätigen Pastorinnen und Pastoren.
Der Bischofsbevollmächtigte im Sprengel Schleswig und Holstein, Gothart Magaard, zeigte sich auf einer Pressekonferenz heute (19. Januar 2011) in Lübeck erfreut über die „nach den Regeln der Meinungsforschung gute bis sehr gute Rücklaufquote.“ Zum ersten Mal lägen jetzt belastbare Daten zur Situation von Pastorinnen und Pastoren im Raum der künftigen Nordkirche vor. „Danach sind etwa drei Viertel der Befragten mit ihrem Beruf zufrieden oder sogar sehr zufrieden. 66 Prozent beklagen allerdings die gestiegene Arbeitsbelastung. Etwa die Hälfte der Befragten findet, dass sie viel Zeit für Leitungstätigkeit aufwendet und würde dieses Zeitkontingent gerne zugunsten der Kerntätigkeiten des Pfarrberufs reduzieren “, sagte Magaard.
„Die jetzt vorliegenden Daten sind Herausforderung und Chance zugleich“, hob der Direktor des Marburger Instituts für Wirtschafts- und Sozialethik (IWS), Prof. Dr. Wolfgang Nethöfel, hervor. Sein Institut hatte die Befragung im engen Kontakt mit Pastorinnen und Pastoren, Ehrenamtlichen und Mitgliedern der Kirchenleitungen konzipiert. „Erkennbar ist eine große Spannung zwischen einer hohen Zufriedenheit aufgrund der hohen Selbständigkeit und einer Unzufriedenheit mit der allgemeinen Arbeitssituation, die sich in einigen Tätigkeitsfeldern verdichtet“. So sei man eher zufrieden mit dem unmittelbaren Vorgesetzten (57 Prozent), eher unzufrieden mit der Leitung überhaupt (44 Prozent). „Vermutlich wollen auch viele der Pastorinnen und Pastoren, die weiterhin im Pfarrhaus wohnen (65 Prozent), grundsätzlich auch woanders wohnen dürfen (70 Prozent). Wer grundsätzlich zufrieden mit seinem Beruf ist, wer gute Rückmeldungen in einzelnen Arbeitsbereichen erfährt, kann dennoch sehr darunter leiden, dass er zu selten zu dem kommt, was er als Kerntätigkeit betrachtet“, so der Direktor des IWS.
Diese Datenkonstellation biete die Möglichkeit, im Zuge einer vertieften Auswertung Arbeitshemmnisse und Stressfaktoren zu identifizieren und trotz begrenzter Ressourcen gemeinsam auf eine Verbesserung der Arbeitssituation hinzuwirken. „Erfolgreiche Arbeit ist gerade für sehr selbständig, oft aber auch einsam arbeitende Profis, ein wirksames Gegenmittel gegen den Burnout“, sagte Nethöfel. „Genau das setzt aber Kooperation voraus. Deshalb bin ich froh, dass die Weiterarbeit mit den Daten in der Nordkirche außergewöhnlich gut vorbereitet ist.“ Ein Beleg dafür sei das soeben erschienene Arbeitsbuch.
Veröffentlicht werden die Umfrageergebnisse in einem Arbeitsbuch unter dem Titel „Pastor/in im Norden. Antworten - Fragen - Perspektiven", das jetzt jedem Seelsorger und den Synodalen zugeht. Mit der Publikation ist die Umfrage nicht abgeschlossen. Gothart Magaard: „Wir betrachten es vielmehr als Startimpuls, denn es bietet die Grundlage für einen jetzt anlaufenden Beratungsprozess in den Pastorenkonventen und kirchenleitenden Gremien der beteiligten Kirchen. Diese Gesprächsergebnisse werden im Sommer dieses Jahres ausgewertet.
Besonders deutlich wird der Wunsch nach Jahresgesprächen mit Vorgesetzten: Mehr als 90 Prozent der Befragten meinen, sie sollten regelmäßig oder bei Bedarf durchgeführt werden.
Für den Theologischen Referenten im Oberkirchenrat der Mecklenburgischen Landeskirche, Kirchenrat Dr. Matthias de Boor, ist es erstaunlich, dass die Differenzen beim Berufsbild entsprechend der landeskirchlichen Herkunft größer seien, als die zwischen Männern und Frauen, Ost oder West oder nach dem Alter. „Mecklenburger, Nordelbier und Pommern bringen jeweils ihre Prägungen ein. Seelsorge und Verkündigung steht für alle an erster Stelle, aber in Mecklenburg verstehen sich Pastorinnen oder Pastoren zum Beispiel eher als Kommunikatoren, in Nordelbien als kirchliche Repräsentanten und in Pommern als Hirten“, so Dr. de Boor.
Sehr hoch ist der Stellenwert der Seelsorge. Die Amtshandlungen Taufe, Trauung und Bestattung sowie der Gottesdienst gelten dabei vergleichsweise häufig als nicht delegierbare pastorale Tätigkeiten.
Wichtige Merkmale im pastoralen Selbstbild sind Überzeugung, Eigenverantwortung und Kollegialität. 90 Prozent der Pastorinnen und Pastoren orientieren sich bei ihrer Berufsausübung an der bisherigen Berufserfahrung, theologischen Überzeugungen und dem eigenen Gewissen. 70 Prozent wünschen sich - neben Fort- und Weiterbildung - einen regelmäßigen kollegialen Austausch zur Förderung ihres Dienstes.
Wenn nach der Zukunft der Kirche gefragt wird, bezeichnen bis zu 90 Prozent der Pastorinnen und Pastoren als vordringliche Aufgaben die Verständigung über kirchliche Angelegenheiten, eine theologische Prioritätensetzung und die Stärkung der Gemeinden sowie des Ehrenamts in der Kirche. Besonders kritische Zukunftsfaktoren sind bis zu 75 % der Befragten unter anderem der fehlende Theologennachwuchs sowie der Mitgliederschwund der Kirche.
Für Rückfragen: Norbert Radzanowski,
Pressesprecher der Nordelbischen Kirche, Mobil 01 70-8 05 30 91