November 2015November-Gedenken
Dieser Monat ist voller Erinnerungen und Gedenken. Allerheiligen. Allerseelen. Totensonntag. Aber auch Volkstrauertag. Die Reichspogromnacht 1938. Die Öffnung der Grenze zwischen den beiden Deutschland 1989. Noch weiter zurück: die Novemberrevolution 1918. Der Monat birst geradezu vor Erinnerungsträchtigkeit. Daten persönlicher und politischer Geschichte auf engstem Gedenkraum, zum Teil ineinander verwoben . Angefüllt mit Gefühlen wie Dank, Trauer, Scham und Schuldgefühlen, Erleichterung, Glück, Skepsis und Ernüchterung…
Ein weiteres Gefühl kommt in diesem November deutlich auf: Angst. Ich war in den letzten Tagen bei zwei Friedensgebeten dabei, in Grevesmühlen und in Boizenburg. In beiden Kirchengemeinden war der Zusammenhang klar: Es sollte ein Zeichen gesetzt werden gegen braune Feindschaft gegenüber Fremden und Flüchtlingen; gegen gewalttätige Übergriffe auf sie; gegen das Anzünden von Wohnhäusern. Gestern, am 9. November, hatte die Stadtverordnetenversammlung in Boizenburg das Gedenken in der Kirche genutzt, um eine entsprechende Resolution zu verabschieden. Während des Friedensgebets war Gelegenheit, nach vorne ans Mikrofon zu gehen, mit einem persönlichen Wort 'sich zu zeigen' und eine Kerze anzuzünden. Für mich war das der wichtigste Teil der Zusammenkunft.
Wir alle können uns noch mehr darin üben, mutiger zu werden und deutlicher zu machen, wo die Grenzen des Tolerablen sind; wo in Gesprächen und Diskussionen andere Menschen herabgesetzt werden; wo leicht erkennbare Fluchtgründe von Menschen diffamiert werden; wo jemand auf seinem 'Standpunkt' jede Empathie verweigert und kalt daherschwätzt. All das können und sollten wir natürlich auch bei uns selber in den Blick nehmen und dabei uns selber prüfen.
Der Mann aus Nazareth hat uns einen großartigen Satz in unser Stammbuch geschrieben, voll überraschender Unbescheidenheit und gleichzeitig weit über uns selber hinausweisend: "Laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen" (Matthäus 5, Vers 16)
Walter Bartels