Sieben Wochen ohne Plastik - geht das? "Plastikfasten": Lübecker Gemeindegruppe testet ein Leben ohne Kunststoff
Von Julia Reiss
30.03.2014 · Lübeck. Lebensmittel, Kosmetik, Putzmittel - fast alles ist heute in Plastik verpackt. Für die Fastenzeit hat sich eine Lübecker Kirchengruppe vorgenommen, auf Kunststoff zu verzichten. Nicht immer leicht, finden sie.
Gesa Claussen hat eine neue Entdeckung gemacht: "Es gibt Shampoo am Stück!", erzählt sie den Teilnehmern der Fastengruppe. "Wie ein Stück Seife, eingepackt in eine Pappschachtel." Sonst hat die 34-Jährige immer eine große Plastikflasche genutzt. Die Lübeckerin hat an der Luther-Kirche in diesem Jahr die Aktion "Plastikfasten" ins Leben gerufen.
"Wir wollen Plastik nicht verteufeln, sondern einfach mal hinterfragen", sagt sie. Plastik ist überall - schließlich sind nicht nur Lebensmittel darin verpackt, sondern auch Kosmetikartikel und Putzsachen. Wenn man es ganz streng nehmen würde, dürfte man weder Handy, noch Computer oder ec-Karte benutzen. "Es geht einfach darum, unser Bewusstsein ein wenig zu schärfen", sagt Gesa Claussen. Oft sehe man das Plastik gar nicht auf den ersten Blick. "Aber im Supermarkt bleibt nur noch wenig übrig, wenn es ganz ohne Kunststoff gehen soll."
"Brauche ich das wirklich?"
Alle Teilnehmer sind sich einig: Sie kaufen weniger, seit sie plastikfasten. "Ich beschäftige mich intensiver mit dem, was ich haben will und frage mich: Brauche ich das wirklich?", sagt Heike Knaack (55), die schon im vorigen Jahr an der Nordkirchen-Aktion "Sieben Wochen mit Produkten aus fairem Handel" mitgemacht hat. Bewusstes Einkaufen dauert auch erheblich länger. Darum gehen die Teilnehmer der Fastengruppe das Vorhaben unterschiedlich streng an. "Der Wille ist da, aber es lässt sich nicht immer umsetzen", sagt Dagmar Eiben (51). Sie versucht, überflüssiges Plastik zu vermeiden. Zusätzliche Recherche vor dem Einkaufen betreibt sie aber nicht.
Gesa Claussen hingegen sucht im Internet nach neuen Läden und Produkten. "Ohne Vorbereitung ist es kaum möglich, ernsthaft auf Plastik zu verzichten." In der Fastengruppe tauschen sich die Teilnehmer regelmäßig aus. Außerdem stehen verschiedene Veranstaltungen auf dem Programm: Zum Häkeln mit Streifen aus alten Plastiktüten und zum Dokumentarfilm "Plastik Planet" kamen auch viele Besucher, die nicht beim Plastikfasten mitmachen. Auch im Freundeskreis werde sie häufig darauf angesprochen, berichtet Heike Knaack. "Sobald ich davon erzähle, sind alle ganz interessiert und wollen mehr wissen."
"Dann gibt's eben nur Birnen."
"Ganz wichtig ist es, die Mitarbeiter im Geschäft oder auf dem Markt darauf anzusprechen", sagt Dagmar Eiben. "Sie haben oft eigene Ideen für plastikfreie Alternativen oder holen irgendetwas aus dem Lager." Zeitweilig fühlen sich die Teilnehmer machtlos gegenüber den strengen Regeln in Supermärkten: Ein mitgebrachtes Gefäß dürfen die Mitarbeiter an der Käsetheke aus hygienischen Gründen nicht füllen. Heike Knaack: "Aber wenn es neben einem Plastiksack Äpfel auch lose Birnen gibt, dann ist meine Entscheidung klar: Dann gibt's eben nur Birnen."
Ob Brokkoli, Schokoriegel oder Zahnbürste - plastikfrei sind die meisten Artikel nur mit Mühe zu bekommen. Aber auch kleine Maßnahmen helfen: Um nicht ständig neue Plastiktüten zu sammeln, haben Claussen und ihre sechs Mitmacher jetzt immer Stoffbeutel dabei. "Früher habe ich den nur gezielt zum Einkaufen eingesteckt", sagt sie. Manchmal kann auch die ständige Nachfrage viel bewirken: "In dem Laden, in dem ich mittags esse, gibt es jetzt Wasser in Glasflaschen."
Raus aus der Routine
Die Gruppe sieht ihren bewussten Verzicht keinesfalls als Belastung. "Wir haben unheimlich viel Spaß bei der Aktion." Und die positiven Effekte überwiegen deutlich. "Es entschleunigt - und das tut gut", findet Heike Knaack. "Ich war schon so lange nicht mehr auf dem Wochenmarkt - dabei macht das Einkaufen dort richtig Spaß." Raus aus der Routine und rein in neue Kontakte: Das sind nur zwei weitere gute Gründe für den Verzicht auf Plastik. Und natürlich soll ihr Verzicht Ostern auch nicht zu Ende sein.
Quelle: epd