BildgeschichtenEine Murillo-Kopie in der Dorfkirche von Brandshagen: Das Geheimnis der Zigeunermadonna
Brandshagen liegt an der B 96 zwischen Greifswald und Stralsund. Der Ortsname soll auf Borante von Putbus zurückgehen. Anfang des 14. Jahrhunderts verkauften die von Putbus der Stadt Stralsund lehmhaltige Flächen bei Brandshagen, um dort Material für die Ziegelproduktion zu gewinnen. Der Bedarf an Backsteinen in der nahen Hansestadt war in der Zeit der Baukonjunktur riesig. Die malerisch auf einem Hügel gelegene Hallenkirche des Dorfes gehört zu den schönsten in Vorpommern
Aber nicht nur das Äußere, sondern die reiche Ausstattung des Innenraums mit zum Teil recht außergewöhnlichen Stücken lässt das Herz jedes Kunstbegeisterten höher schlagen. Dazu kommt der kaum mit Worten zu beschreibende Charme einer jetzt 100 Jahre alten Fassung, der man ihr Alter ansieht, ohne, dass sie schäbig wirkt.
Die letzte große Renovierung fand 1905/06 auf Veranlassung der in Niederhof ansässigen Patronin, Helene von Bismarck-Bohlen statt. Der größte Teil der damals freigelegten mittelalterlichen Wandmalereien wurde wieder übertüncht, weil man eine Wiederherstellung nicht für lohnend hielt.
Die Adelssitze in der Umgebung: Niederhof, Engelswacht und Schönhof, sind alle verschwunden. Nur der Kundige entdeckt Reste der Parkanlagen oder findet vielleicht ein paar moosüberwucherte Steine der Herrenhäuser im Gebüsch.
Noch vor einigen Jahren sollen in Schönhof Reste des Gewächshauses zu sehen gewesen sein. Heute findet man in Schönhof noch einen Lindenkreis, ähnlich wie im Gutspark von Broock.
In der Kirche zu Brandshagen hängt die Gutsglocke von Schönhof. Die von Hermann Stüve überlieferte Geschichte aus der Franzosenzeit dazu kann man in dem Band „Nordvorpommern“ von Eckhard Oberdörfer auf S. 99 unter dem Titel „Tödliches Geläut für den Gutsherrn Scheven“ nachlesen.
In Brandshagen wurde auch erzählt, dass das Bild, welches an der Ostwand des südlichen Seitenschiffs hängt, aus dem Gutshaus in Schönhof stammt. 1945 soll es in die Kirche gebracht worden sein, um es vor „den Russen“ zu retten. Besitzer des Gutes war seinerzeit die Familie von Ruhsdorf. Die Geschichte klingt erst einmal plausibel, jedoch wird das Bild schon in einem 1931 vom seinerzeitigen Pastor aufgestellten Inventar in der Kirche erwähnt.
Dargestellt ist Maria mit dem Kind, sitzend vor einem Mauerstück mit einer Blätterranke. Wer sich ein wenig in der spanischen Malerei des 17. Jahrhunderts auskennt, dem wird die Brandshäger Madonna bekannt vorkommen.
Es ist eine Kopie nach Murillos „Zigeunermadonna“ der Galleria Corsini in Rom. Bartolomé Esteban Murillo aus Sevilla ist einer der Großen der spanischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Sein Geburtsjahr anzugeben, fällt nicht ganz leicht. Als Murillos Geburtstag wird in der Literatur öfter der 1. Januar 1618 genannt. Aber war das nicht der Tag seiner Taufe?
Gestorben ist er jedenfalls 1682 im April nach einem Sturz.
Das Bild in Brandshagen hütet noch sein Geheimnis. Wer hat es gemalt und wann? Für wen? Wie kam es nach Schönhof? War es überhaupt jemals dort?
Wir glauben nicht, dass der Schöpfer der Kopie das Original vor Augen hatte. Das Kind Murillos scheint lebendiger, die Madonna melancholischer, die Farben leuchtender, satter. Vielleicht hat der Kopist (im 19. Jahrhundert?) nach einem Stich gearbeitet. Aber auch das können wir nur vermuten.
© Detlef Witt 2006