23.09.2025 | Nachruf Pastorin Rosemaria Griehls

Über Rosemaria Griehls schweren Weg auf die Kanzel

 

Sie war eine der ersten, die oben auf der Kanzel stehen durften. Rosemaria Griehl erhielt am 3. April 1966 die Ordination. Eine von Mecklenburgs ersten Pastorinnen ist nun gestorben. Ein Rückblick auf ihren Weg dorthin, der von Missbilligung geprägt war.

 

Frauen gleichberechtigt als Pastorinnen – es war ein langer Weg. Im Osten war Mecklenburg die erste Landeskirche, die das Anliegen ihrer Synode aufgriff und ein erstes Theologinnengesetz verabschiedete. „Allerdings mit beschämenden Zugeständnissen für die Tätigkeit einer Theologin: Sie möge allenfalls Kindergottesdienst halten“, so hatte Mecklenburgs ehemaliger Landesbischof Heinrich Rathke es geschildert.  

 

Es gab vier Theologinnengesetze in Mecklenburg, erst das vierte vom 2. April 1972 brachte kirchenrechtlich gesehen die volle Gleichstellung der Pastorin als „ordinierte Theologin“. Pastorin Ilse Margreth Kulow ist am 31. Oktober 1962 eingesegnet worden. Damit wird sie meist als erste Pastorin in Mecklenburg genannt. Oder ist es Rosemaria Griehl, die am 3. April 1966 ordiniert wurde?

 

Vor 50 Jahren gab es Widerstand, als Frauen die Männerbastion Pfarramt stürmen wollten. Trotzdem forderten einige Damen ihr Recht auf Gleichberechtigung ein. Zu ihnen gehörte Rosemaria Griehl. Landessuperintendent Martin Lippold ordinierte sie in der St. Georgenkirche in Waren. „Ich hatte ganz schön Herzklopfen“, erinnerte sie sich einmal. An jenem Palmsonntag war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt – eine Frau wird Pastor, das wollte sich keiner entgehen lassen. „Die Leute sind sehr neugierig auf mich gewesen und hinterher haben wir noch gemeinsam ein schönes großes Fest gefeiert – es war ein wunderbarer Tag.“

 

Das Interesse für religiöse Themen und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Glauben hatte sie als junges Mädchen in Parchim entwickelt, wohin sie mit ihrer Familie nach der Flucht aus ihrem Heimatort Elbing in Ostpreußen im Februar 1945 kam. Die damals 14-Jährige fand in der lebendigen kirchlichen Jugendarbeit ein Zuhause. Sie stellte unentwegt Fragen, so dass Otto Schröder, der damalige Vikar und spätere Landessuperintendent von Parchim, eines Tages zu ihr sagte: „Sie müssten Theologie studieren, so interessiert wie Sie sind.“

 

1950 nahm sie als eine von nur sieben jungen Frauen das Theologiestudium an der Universität Rostock auf – zunächst gar nicht mit dem Ziel, einmal ins Pfarramt zu gehen. „Das Studium habe ich einfach nur genossen, denn es ist ja so vielseitig. Ich konnte neue Sprachen lernen, mich mit Bibelkunde, Geschichte, Rhetorik, Pädagogik beschäftigen und hatte nebenbei auch noch Orgelunterricht.“

 

Gottesdienst ja – aber ohne Talar

 

Ihre erste Aufgabe nach dem Ersten Theologischen Examen 1956  hatte sie als Lehrvikarin im Stift Bethlehem in Ludwigslust. Eines Sonntags stand kein Pfarrer zur Verfügung. Der Oberkirchenrat wurde gefragt, ob nicht die Vikarin den Gottesdienst alleine übernehmen könnte. Die Antwort lautete: Ja, aber sie darf keinen Talar tragen, nur ein schlichtes schwarzes Kleid.

 

Diese zweitklassige Behandlung setzte sich auch in Plau am See fort, wo Rosemaria Griehl ab 1957 zur Unterstützung des Pastors als so genannte Pfarrvikarin arbeitete. Nach dem Zweiten Theologischen Examen und ihrer Einsegnung 1959 war die Gemeinde allerdings so von ihr begeistert, dass eine Delegation des Kirchengemeinderats nach Schwerin zu Bischof Niklot Beste fuhr, um die Übertragung der zweiten Pfarrstelle in Plau an sie zu erwirken. Doch sie wurden schwer enttäuscht. Mit dem Verweis auf 1. Mose 3, 16, wo es heißt, dass Gott zuerst den Mann schuf und zur Frau sagte: „Der Mann soll dein Herr sein“, lehnte Bischof Beste den Antrag ab. „Eine weitere beliebte Bibelstelle, die von den Gegnern der Frauenordination angeführt wurde, war 1. Korinther 14, 34: ‚Das Weib schweige in der Gemeinde‘“, berichtete Rosemaria Griehl. „Wenn es nach denen gegangen wäre, hätten wir höchstens mal einen Kindergottesdienst halten oder Konfirmandenunterricht geben dürfen.“

 

Weil aber nun einmal Not am Mann war, übernahm die Vikarin in Plau fast jeden Sonntag einen Gottesdienst. Die Reaktionen der Gemeindemitglieder seien dabei durchweg positiv gewesen: „Nach einem Gottesdienst kam ein Mann auf mich zu und sagte: ‚Also, erst hab’ ich gedacht: ’Ne Frau als Paster – naja. Aber denn hat’s mir sehr gut gefallen.“ Als die Herbstsynode der Landeskirche 1965 den Antrag des Theologinnenausschusses auf Zulassung der Frauenordination annahm, wollten die Plauer eine Pastorinnenstelle in ihrer Stadt einrichten. „Leider hat sich Pastor Timm dagegen gestellt, sodass ich trotz des Rückhalts in der Gemeinde keine Pastorin in Plau werden konnte – das hat mich ziemlich verzweifeln lassen.“

 

Zur Not eben auch eine Frau

 

In Waren suchte die St. Georgengemeinde jemanden für die zweite Pfarrstelle. „Pastor Siegert soll damals gesagt haben: Frau Griehl wäre doch eine gute Wahl. Sie ist zwar eine Frau, aber die Plauer sagen, sie macht das ganz gut dort in der Gemeinde.“

 

Als ordinierte Pastorin durfte sie zwar nun auch die Sakramente allein verwalten, aber eine völlige Gleichstellung mit ihren männlichen Kollegen erfolgte erst Jahre später. Ab 1972 konnten Pastorinnen in Mecklenburg den Vorsitz im Kirchengemeinderat und damit die Gemeindeleitung übernehmen und ab 1982 galt in allen Landeskirchen der DDR das neue Pfarrerdienstgesetz, das Männer und Frauen gleich behandelte. Damit fiel auch die Bestimmung weg, dass eine Pastorin nach ihrer Heirat ihr Amt aufgeben musste. „Da ich unverheiratet geblieben bin, hatte mich diese Bestimmung ja nie persönlich gestört, aber es war natürlich schon eine gemeine Sache.“

 

1992 ging sie in den Ruhestand. Am 23. September 2024 verstarb Rosemaria Griehl in Waren.

 

Sophie Ludewig