Ost-West-Konferenz Kirche und Rechtsextremismus Nächstenliebe als politische Praxis
Von Silke Roß
© Elisabeth Most-Werbeck
01.02.2013 · Salem. In Salem bei Malchin versammelten sich rund 80 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet, um bei der 3. Ost-West-Konferenz der Arbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus miteinander über "Nächstenliebe als politische Praxis" zu diskutieren. Diese Tagung fand zum ersten Mal auf dem Gebiet der Nordkirche statt.
"Die Erscheinungsformen von rechtsextremistischem Handeln sind regional sehr unterschiedlich", sagt Karl-Georg Ohse von der Arbeitsstelle TEO/Kirche schafft Demokratie: "an einigen Orten treten die Nazis kaum öffentlich auf und agieren eher unauffällig, in dem sie gerade im ländlichen Raum Stimmungen aufnehmen und aktiv lenken, in anderen Gegenden versuchen sie, durch Gewaltaktionen oder deren Androhung ein Klima der Angst zu erzeugen und sich so als starke Größe zu positionieren". Unabhängig davon, in welcher Weise die neuen Nazis in Erscheinung treten, sie "tragen ein Klima des Gegeneinanders in die Gesellschaft, dem wir entgegen treten müssen", formulierte ein Teilnehmer der Konferenz.
"Die Rechtsextremisten fordern den Rechtsstaat heraus…", schreibt Landesbischof Gerhard Ulrich auch in seinem Grußwort und fügt hinzu "…für ihn gilt es gemeinsam zu kämpfen. Es ist eine herausragende Aufgabe für uns als Kirche, zu bilden, zu informieren, ökumenisch zu argumentieren und theologisch zu reflektieren. Eines ist klar: Das christliche Menschenbild, der ökumenische Gedanke und unser theologischer Auftrag widersprechen der rechtsextremistischen Ideologie – unser Kreuz hat keine Haken".
"Unser Kreuz hat keine Haken"
Diese Unterstützung der Kirchenleitung ist den Pastoren vor Ort wichtig, denn sie sind es, die sich immer wieder direkt mit den Folgen des zunehmenden Eindringens der rechtsextremen Ideologie in den Alltag der Gesellschaft auseinander setzen müssen. "Ich brauche den Rückhalt durch andere, denn ich habe den Eindruck, dass zum Beispiel rassistische Äußerungen immer weniger als anstößig empfunden werden", sagt Pastorin Maria Harder aus Gammelin. Diese Einschätzung teilt auch Joachim Kirchhoff von der AG REX der Erzdiözesen Hamburg und Berlin. "Viele Menschen mit Migrationshintergrund sind katholisch und kommen daher in unsere Gemeinden – da sind zum Beispiel in den Kommunionsgruppen Ausdrücke zu hören, die wirklich schmerzhaft sind – da müssen wir auch immer wieder ein Bewusstsein für einander aufbauen, und das ist nicht immer leicht, obwohl die katholischen Christen sich oft als Teil einer Weltkirche wahrnehmen".
Um den bewussten Umgang mit der Sprache ging es auch in dem Impulsreferat der britischen Anti-Rassismus-Trainerin Bev Thomas. "Sprache ist der Schlüssel", sagte sie : "und aus verletzender Sprache werden leicht verletzende Handlungen – wo aber auf die Sprache geachtet wird, zum Beispiel weil Menschen da sind, die das immer wieder einfordern, wird irgendwann auch auf das eigene Denken geachtet und nur so kann die Situation besser werden". Neben der Sprache sei aber auch Begegnung ein wichtiger Faktor – wer die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Individuen wahrnehme, könne entspannter mit fremden Eindrücken umgehen und sei weniger von Vorurteilen abhängig.
Andreas Flade: Begegnungsräume schaffen
Für Begegnungen plädierte auch Oberkirchenrat Andreas Flade: "Wir haben allein in der Nordkirche über 30 internationale Partnerschaften, diesen Schatz sollten wir nutzen, um Begegnungsräume zu schaffen und damit der Fremdenangst den Raum zu nehmen". Das gilt wahrscheinlich nicht nur für die internationalen Kontakte, denn auch innerhalb der Nordkirche können Begegnungen ermöglicht werden, die Vorurteile abbauen – zwischen Stadt- und Land-, Ost- und West- oder großen und kleinen Gemeinden.
Insgesamt waren sich die Teilnehmenden der Tagung einig, dass eine enge Vernetzung der kirchlichen Akteure in der Arbeit gegen menschenfeindliches, rassistisches und diskriminierendes Gedankengut nicht nur sinnvoll sondern dringend notwendig ist, denn, so schilderte es ein Teilnehmer: "Es ist so anstrengend und ermüdend, immer wieder dieselben Diskussionen zu führen – aber sie nicht zu führen ist noch viel anstrengender" und eine Teilnehmerin ergänzt: "Mir tut es gut, zu wissen, dass ich diese Diskussionen nicht alleine führe, sondern das überall Leute sich dafür stark machen, das wir hoffentlich irgendwann manche Sätze einfach nicht mehr hören müssen"
Quelle: Zentrum für Mission und Ökumene