Wort zum Neuen Jahr von Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit Unverdientes Glück
31.12.2013 · Greifswald. „Gott nahe zu sein, ist mein Glück“ (Psalm 73,28). Das hat ein frommer Mensch vor mehr als 2000 Jahren in Israel gesagt. Muss das für viele Christen im Nahen Osten derzeit nicht wie purer Hohn klingen? Seit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings haben Diskriminierungen und Verfolgungen von Christen eine neue Dimension bekommen: So haben seit dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien fast eine halbe Million Christen das Land verlassen - von vormals 1,7 Millionen. Im Mai dieses Jahres sind dort zwei Bischöfe entführt worden und bis heute verschwunden. In der christlichen Stadt Sadad ermordeten islamische Milizen im Oktober 45 Christen, darunter waren auch Kinder. Auch in Ägypten erleben Christen Hass und Gewalt: Im August zündete der Mob innerhalb von 48 Stunden 61 Kirchen, dazu Häuser und Geschäfte von Kopten, also den ägyptischen Christen an. Einen Monat später wurden 85 christliche Kirchen und Einrichtungen angegriffen, in Brand gesetzt und zerstört.
Doch neben und inmitten dieser Schreckensszenarien gibt es etwas, das Mut macht und von dem in den Medien nicht berichtet wird: Die ägyptischen Christen reagierten auf die Anschläge – indem sie nicht reagierten. Das Oberhaupt der koptischen Kirche, Papst Tawadros II, hat direkt nach diesen Angriffen in einer Verlautbarung gesagt: "Wenn das der Preis ist, den wir Christen für ein freies Ägypten zu bezahlen haben, dann ist es dieses Opfer wert." Diese beispiellose Haltung des Nicht-Vergeltens hätten die Täter nicht erwartet, erzählt Ramez Atallah, der Direktor der ägyptischen Bibelgesellschaft. Viele Christen in Ägypten hätten sich zum Motto gemacht: „Die Kirche besteht aus Menschen. Der Leib Christi sind nicht die Gebäude, in denen wir uns treffen. Deshalb kann Gottes Gemeinde durch solche Anschläge nicht zerstört werden.“
Trotz größter Schwierigkeiten vertrauen diese Christen in Ägypten auf das göttliche Geschenk der Vergebung und schöpfen aus der Nähe Gottes Trost. Da geht es ihnen wie dem Psalmbeter vor mehr als 2000 Jahren. Der beschreibt zunächst die Ungerechtigkeit, dass es gerade den gottlosen Mitmenschen immer am besten zu gehen scheint und wie ihnen der Pöbel nachläuft. Dennoch kommt er zu dem Schluss: Gottes Nähe, die andere nicht kennen, ist mein Glück. Die christlichen Kirchen in Deutschland haben den Bibelvers „Gott nahe zu sein, ist mein Glück“ zum Motto für das Jahr 2014 gewählt. Dass Gott uns seine Nähe schenkt, ist unverdientes Glück. Es lässt manche Probleme aushalten, im Nahen Osten und auch hier. Gottes Nähe schenkt auch die Kraft, denen beizustehen, die unsere Hilfe brauchen. Im kommenden Jahr sollten wir unser Augenmerk auf die Situation der bedrängten Glaubensgeschwister in Nahost werfen. Wir sollten für die Christen in den Ländern des Orients beten und unsere Regierungen auf die Not unserer Glaubensgeschwister hinweisen.
Es ist ein Glück, dass wir zusammen mit den Christen in aller Welt auch 2014 Gottes Nähe spüren können.
So wünsche ich allen Menschen in Nah und Fern ein gesegnetes Jahr 2014!
Dr. Hans-Jürgen Abromeit
Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern, Greifswald