Zwischenbilanz nach 15 Monaten Nordkirche Kirche im Nordosten in neuer Gestalt
30.09.2013 · Wismar/Stralsund. Seit Pfingsten 2012 bilden die ehemaligen Landeskirchen Pommern und Mecklenburg nun die beiden flächenmäßig größten von 13 Kirchenkreisen der neuen Nordkirche. Über den Stand der Umstrukturierung und Neufindung sprachen wir mit Helga Ruch, Stralsunder Pröpstin im Kirchenkreis Pommern, und Dr. Karl-Matthias Siegert, Wismarer Propst im Kirchenkreis Mecklenburg:
Frau Ruch, Herr Dr. Siegert, Landesbischof und Kirchenleitung der Nordkirche sind eingeführt, die Gründungsphase ist abgeschlossen. Wie geht es den Kirchenkreisen Pommern und Mecklenburg?
Ruch (Pommern): Nun, ich denke, gut. Natürlich sind wir noch in der Phase des Eingewöhnens in die neuen Strukturen, auch in die Formen von gemeinsamer Leitung durch Kreissynode, Kirchenkreisrat und Pröpste. Aber das läuft gut und macht auch Freude. Siegert (Mecklenburg): Es war ein spannendes und zugleich anstrengendes Jahr. Die neuen Strukturen sind mittlerweile im Wesentlichen akzeptiert und etabliert, aber noch nicht überall verinnerlicht. Die Kirchenkreissynode und der Kirchenkreisrat haben sich nach meiner Beobachtung erfreulicherweise gut in ihre neuen Rollen eingefunden und füllen diese selbstbewusst aus. Von Einrichtungen der Nordkirche hier in Mecklenburg, wie dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt oder der Männerarbeit, können wir profitieren.
Viele Fäden der Organisation laufen in der jeweiligen Kirchenkreisverwaltung zusammen. Wie läuft es dort?
Siegert (Mecklenburg): Die Mitarbeitenden in Schwerin und in den Außenstellen Güstrow und Neubrandenburg stehen oft unter Druck, arbeiten mit hohem Einsatz und haben sehr vieles zu bewältigen. Die neuen Abläufe und Zuständigkeiten bereiten aber unseren Kirchengemeinden manches Mal noch Schwierigkeiten, da diese noch nicht so eingefahren sind. Ein bereits versandter Verwaltungslotse und unser Internetportal www.kirche-mv.de sollen helfen, sich besser zurecht zu finden. Generell möchte ich alle bitten, bei Unklarheiten nachzufragen: in der Verwaltung, in der Pressestelle oder bei uns Pröpsten direkt. Wir sollten aber aufpassen, dass die Verkündigung in unserer kirchlichen Arbeit im Vordergrund steht, und uns die Verwaltung nicht mehr Kopfzerbrechen als nötig macht. Ruch (Pommern): Für die Kirchenkreisverwaltung ist es nicht immer leicht, zumal durch manchen unerwarteten und ungeplanten Personalausfall die Arbeit sich schnell zu Bergen auftürmt, deren Abbau dann besondere Mühe macht. Aber die Mitarbeitenden sind mit großem Engagement dabei.
Die Kirchenkreise werden zwischen den Kreissynoden-Tagungen von den beiden Kirchenkreisräten geleitet. Welche Themen bestimmen die monatlichen Sitzungen?
Ruch (Pommern): Natürlich viele Verwaltungsfragen, Fragen, die die im Oktober bevorstehenden Kirchengemeinderatswahlen betreffen, Gestaltung der Arbeit mit Ehrenamtlichen, Fragen der Regionen im Kirchenkreis u.v.m. Selbstverständlich auch das Miteinander im Kirchenkreisrat, dabei hat uns eine wunderschöne Klausur im Frühjahr gut vorangebracht. Siegert (Mecklenburg): Auch wir arbeiten in einer guten, konstruktiven und vertrauensvollen Atmosphäre miteinander – trotz der manchmal endlos scheinenden Tagesordnungen. Neben dem Tagesgeschäft, dazu gehören Personalentscheidungen, diverse Vertragsgenehmigungen oder Bauangelegenheiten, wollen wir uns künftig mehr Zeit und Kraft verschaffen für strategische Überlegungen, Diskussionen und Entscheidungen. Wichtiger inhaltlicher Punkt, der auch in der Synode und im Zentrum Kirchlicher Räume eine Rolle spielt, ist immer wieder die Entwicklung ländlicher Räume. Zugleich wollen wir als Kirchenkreis zusammen mit Kirchengemeinden die Energiewende aktiv mitgestalten. Darüber hinaus spielen die Finanzen und Personalplanungen eine wichtige Rolle.
Stichwort ländlicher Raum: Die Pastorenschaft und die Mitarbeitenden müssen größer werdende Gemeindegebiete betreuen und verwalten. Von Überforderung ist die Rede, auch weil Stellen vakant sind, Vertretungsdienste an der Substanz zehren. Was wird getan?
Ruch (Pommern): Das ist ein weites Feld und sicher das, das uns als Pröpsten das wichtigste ist. Wir möchten unsere Schwestern und Brüder mit ihren Gemeinden gut und geduldig begleiten, Räume für klärende Gespräche eröffnen, sie unterstützen bei der Strukturierung der Aufgaben, darauf achten, dass die Relation zwischen Arbeit und Freizeit in Balance bleibt oder kommt... Die Gemeinden wollen wir stärken in ihrer Identität und sie ermutigen, ihre Gaben wahrzunehmen und wert zu schätzen... Siegert (Mecklenburg): In Stadt und Land bleibt es unsere Hauptaufgabe als Kirche, das Evangelium von Jesus Christus unter die Menschen zu bringen. In den Dörfern stehen wir angesichts der demografischen Entwicklung vor großen Herausforderungen. Das Programm „Lebendige Kirchenregionen“ soll die Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen genauso befördern wie die Zuwendungen der Stiftung „Kirche mit Anderen“ in Mecklenburg, die neue Projekte fördern, die auch vor Ort Kräfte bündeln sollen. Dennoch ist uns bewusst: die Arbeitsbelastung ist oft sehr hoch, die Resonanz auf kirchliche Angebote – auch auf Gottesdienste – vielerorts leider gering. Wir haben es in Mecklenburg schon immer mit ganz unterschiedlichen Situationen zu tun und sind gefordert, ihnen gerecht zu werden. Zum Beispiel haben die St. Johannis- und die St. Andreasgemeinde in Rostock fast so viele Mitglieder wie die Kirchenregion Sternberg. Was bedeutet das für die Verteilung von personellen, finanziellen und baulichen Ressourcen? Dies alles ist ein weites Feld.
Wieviel vakante Pfarrstellen gibt es zur Zeit in Ihrem Kirchenkreis?
Ruch (Pommern): Wenn ich das richtig überblicke, sechs, es “drohen” aber noch weitere am Horizont. Siegert (Mecklenburg): Konkret hatten wir zeitweilig bis zu 16 vakante Pfarrstellen. In guter Zusammenarbeit mit unserem Bischof im Sprengel, Andreas von Maltzahn, dem sehr kooperativen Personaldezernat in Kiel und den Kirchengemeinden ist es uns gelungen, diese schnell neu zu besetzen. Zudem haben wir derzeit neun Pastorinnen und Pastoren für Vertretungsdienste bzw. Dienstaufträge gewinnen können.
Wieviele Pastoren und wieviele Mitarbeiter aus den anderen Berufsgruppen im Verkündigungsdienst sind seit Pfingsten 2012 bis heute ins ehemalige Nordelbien gewechselt oder in andere Landeskirchen? Wieviel sind gekommen?
Ruch (Pommern): Diese Frage kann ich für den Kirchenkreis Pommern nicht genau beantworten, jedenfalls nicht hinsichtlich der Mitarbeitenden im Verkündigungsdienst. In unsere Propstei ist seit der Gründung der Nordkirche Pastor Huckfeldt aus dem ehemaligen Nordelbien zu uns nach Tribsees gekommen. Siegert (Mecklenburg): In der Tat gab es in den vergangenen Monaten viel Bewegung. Die größere Nordkirche bringt mit sich, dass sich auch Mecklenburger erfolgreich auf Stellen in Hamburg und Schleswig-Holstein bewerben, sogar als Propst. Es kommen ebenso Pastorinnen und Pastoren aus anderen Regionen zu uns. In der Sache ist dies zu begrüßen, weil dies befruchten kann.
Was lässt sich tun, um genügend Pastoren und Mitarbeiter für Pommern und Mecklenburg zu gewinnen?
Ruch (Pommern): Ich bin froh, dass wir jetzt in Pastorin Marlies Richter eine Begleiterin für die Vikare und Vikarinnen in unserer Region haben. Zum anderen freut es mich, dass in den neuen Vikarskursen eine gute Mischung aus allen drei ehemaligen Landeskirchen da ist, und ich hoffe, dass die Zeit des Vikariats Lust macht, auch in unsere beiden östlichen Kirchenkreise zu kommen. Siegert (Mecklenburg): Wir müssen uns dem Wettbewerb stellen – und deshalb müssen wir attraktiv bleiben. Nur unsere oft gepriesene schöne, unverbrauchte Landschaft reicht nicht. Wir müssen uns um gut bewohnbare Pfarrhäuser und zumutbare Arbeitsstrukturen bemühen. Deshalb wollen wir mit einem Programm gezielt Pfarrhäuser modernisieren. Und wir müssen vor Ort und in den Regionen nach spezifischen Lösungen suchen, um die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen. Wir müssen neue Modelle finden und zugleich vermehrt Prioritäten setzen. Dies heißt dann aber auch, auf gewohnte Angebote zu verzichten. Langfristig halte ich eine erneute Debatte über zukunftsfähige Arbeitsstrukturen in Mecklenburg für unvermeidlich. Dies ist alles ein Prozess, und ich verspreche mir zum Beispiel von der Themensynode dazu wichtige Impulse.
Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 39/2013