Eklat auf der Synode Evangelisches Kirchenparlament verweigert Chefjurist Seelemann längere Dienstzeit
05.04.2014 · Berlin. Reformthesen und Umweltschutz - die Tagesordnung der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sah nach Routine aus. Doch dann wurde überraschend der Arbeitsvertrag des leitenden Kirchenjuristen nicht verlängert.
Für einen Paukenschlag hat die Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Freitag gesorgt: Sie verweigerte überraschend ihre Zustimmung zu einer Verlängerung der Dienstzeit von Konsistorialpräsident Ulrich Seelemann. Diese läuft damit nicht wie geplant bis zum Eintritt in den Ruhestand 2017 weiter. Zu Beginn der Synode war Landesbischof Markus Dröge mit der Schulpolitik der brandenburgischen Landesregierung hart ins Gericht gegangen. Zudem hatte er zu einem stärkeren gesellschaftspolitischen Engagement aufgerufen.
Die Synode war am Freitagvormittag mit einem Gottesdienst in der Bartholomäuskirche in Berlin-Friedrichshain eröffnet worden. Nach dem traditionellen "Wort des Bischofs" stand am frühen Nachmittag die Vertragsverlängerung für Chefjurist Seelemann auf der Tagesordnung. Er war der einzige Kandidat, den die Kirchenleitung vorgeschlagen hatte. Die Synode verweigerte jedoch die Zustimmung, die zehnjährige Amtszeit über Februar 2015 hinaus fortzuführen. Dafür stimmten 44 Synodale. 63 Kirchenparlamentarier waren dagegen. Enthaltungen waren nicht möglich. Damit muss die Kirchenleitung einen neuen Kandidaten finden.
Verfahren "extrem ungeschickt"
"Ich bin wirklich völlig fassungslos", kommentierte Rechtsanwalt Jann Fiedler die Entscheidung der Synode. Es könnte das Wahlverfahren gewesen sein, vermutet der Synodale aus Berlin: Die Kirchenleitung hatte nur einen Kandidaten benannt. Und auf dem Stimmzettel konnte nur "Ja" angekreuzt werden - oder gar nichts. "Ich kann mir vorstellen, dass die Leute über diesen Wahlzettel verärgert waren", sagt der Jurist. Das Verfahren sei "extrem ungeschickt" gewesen.
Einwände gegen Seelemann seien vorher nicht geäußert worden, sagt Fiedler. Und eine andere Verfahrensweise habe auch niemand beantragt. Die Verlängerung einer Amtszeit um nur zwei Jahre werde normalerweise nur bei schweren Verfehlungen verweigert. Und davon könne hier nicht die Rede sein. Bei einem zweiten Wahlgang, da ist er sich sicher, wäre Seelemann vermutlich gewählt worden: Weil das Kirchenparlament dann über die eigene Entscheidung erschrocken gewesen wäre.
Auch die Superintendentin des Berliner Kirchenkreises Tempelhof, Isolde Böhm, ist ratlos und tippt auf das Wahlverfahren. "Das war schwierig", betont die Theologin, auch weil nicht zwischen Ablehnungen und Enthaltungen unterschieden wurde. Alles, was keine Ja-Stimme war, wirke so wie eine Gegenstimme. Vielleicht hätten die Kirchenparlamentarier auch ihren Unmut über die Begrenzung von Amtszeiten für Pfarrer auf zehn Jahre an einem Ort zum Ausdruck bringen wollen. Vielleicht habe Seelemann einfach die Unzufriedenheit darüber abbekommen, ohne wirklich selbst gemeint zu sein.
Seelemanns Vorstellung selbstbewusst
Seelemanns kurze Vorstellung vor dem Kirchenparlament war durchaus selbstbewusst. Er wies auf die Erfolge seiner bisherigen Amtszeit hin - ohne selbstkritische Zwischentöne zu Pannen wie dem gescheiterten Pro-Reli-Volksentscheid. Auch der Hinweis, dass die Synodalen gern seinen Namen googeln dürften, um sich über die öffentliche Wahrnehmung seiner Tätigkeit zu unterrichten, zeugte von allem anderen als Demut.
Daher verwundert es nicht, dass sich auch Kritiker Seelemanns äußern, die aber ihren Namen nicht öffentlich lesen wollen. Die Kirchenleitung sei vorgewarnt gewesen und habe trotzdem nur einen Kandidaten aufgestellt, sagt eine Synodale. Vielleicht sei der Präsident auch stellvertretend für die oft nicht besonders geliebte Kirchenleitung abgestraft worden, vermutet ein anderer.
Seelemann, der als Richter an verschiedenen Hamburger Gerichten gewirkt hat und vor seinem Amt in Berlin mehr als zehn Jahre lang das evangelische Kirchenkreisamt Alt-Hamburg geleitet hat, habe die Quittung für das "autoritäre Gehabe der letzten zehn Jahre" bekommen, sagt ein anderer Kirchenparlamentarier. Sie hätten den Eindruck, Seelemann nehme sie nicht ernst, sagen wieder andere.
Seelemann selbst wollte das Wahlergebnis nicht kommentieren. Bei der Synodaltagung ging alles weiter wie gewohnt, kein Innehalten, kein Kommentar. Der Präsident stand Rede und Antwort zu neuen Kirchengesetzen und erläuterte die Begründungen der Kirchenleitung. Ein Gesetz über die Angleichung des Mitarbeitervertretungsrechts an bundesweite Regelungen wurde nach seinen Ausführungen mit überwältigender Mehrheit angenommen.
Am Ende überwog im Kirchenparlament die Ratlosigkeit. Die Entscheidung der Synode gegen Seelemann habe etwas "dolchstoßmäßiges", sagt Jann Fiedler: "Das kann man nicht machen, und als Kirche schon gar nicht."
Landesbischof beklagt Trennung der christlichen Konfessionen
Zu Beginn der Synode hatte Landesbischof Dröge daran erinnert, dass es zum "Beruf des Christen" gehöre, sich politisch zu engagieren. Dies geschehe heute durch das Engagement für Flüchtlinge und Umweltschutz, in der Debatte über den Braunkohleabbau in der Lausitz und kirchliche Stellungnahmen zu Fragen von Familienpolitik und Armut. Die Zeit dränge zudem, sich für Frieden einzusetzen.
Angesichts der weltweiten Probleme werde es "immer weniger verständlich, wenn sich die christlichen Kirchen diesen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht gemeinsam stellen", betonte Dröge. Weder Gläubige noch Öffentlichkeit könnten nachvollziehen, dass die Konfessionen ihre Unterschiede nicht überwinden. In der katholischen Kirche habe sich in den vergangenen Jahren ein "ängstlich zurückhaltender Geist" ausgebreitet, "so als müsse sich die römische Kirche davor fürchten, zu protestantisch zu werden, wenn sie die Nähe zu uns evangelischen Christen sucht", sagte Dröge.
Dröge rief zugleich die Bundesländer Brandenburg und Berlin zu mehr Unterstützung für die freien Schulen und den Religionsunterricht auf. Er mahnte die Parteien insbesondere in Brandenburg, sich in ihren Programmen zur Bildungsvielfalt zu bekennen, eine positive Wertung der freien Schulen in ihre Programme zu integrieren und sie als Teil der schulischen Grundversorgung in die staatlichen Schulplanungen aufzunehmen.
Die Synode dauert bis Samstag. Auf der Tagesordnung der 122 Kirchenparlamentarier, die rund eine Million Protestanten in Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz vertreten, steht auch ein knapp 200-seitiges Umweltkonzept. Das Kirchenparlament will außerdem Thesen für die weitere Entwicklung der Landeskirche beschließen.
Quelle: epd