Parlamentsentscheid gegen Bürgerentscheid Garnisonkirche hält Potsdam weiter in Atem
Von Yvonne Jennerjahn
01.08.2014 · Potsdam. Tricks am Anfang und Tricks am Ende: Das Bürgerbegehren gegen die Garnisonkirche hatte eine Fragestellung, mit der der Bau nicht verhindert worden wäre. Und das Stadtparlament hat es angenommen, um eine aussagekräftige Volksbefragung zu vermeiden.
Jetzt dreht sich wieder alles ums Geld: Der geplante Bürgerentscheid, mit dem die Gegner der Garnisonkirche Klarheit über die Haltung der Einwohner Potsdams zu dem Bauvorhaben bekommen wollten, ist seit Mittwochabend vom Tisch. Ob der geplante Wiederaufbau der 1945 zerstörten und 1968 abgerissenen Barockkirche tatsächlich in Angriff genommen wird, hängt nun davon ab, ob die Baustiftung genug Geld dafür auftreiben kann.
Daran hapert es bisher trotz langjähriger Bemühungen verschiedener Akteure. Von der Garnisonkirchen-Stiftung hieß es, dass man etwa die Hälfte der auf rund 41 Millionen Euro veranschlagten Baukosten für den Turm derzeit "als abgesichert ansehen" könne. Darunter sind auch zwölf Millionen Euro Bundesmittel, die nur ausgezahlt werden, wenn die gesamte Finanzierung gesichert ist. Doch davon ist die Stiftung derzeit noch weit entfernt. Und für den Bau des Kirchenschiffs wären nach bisherigen Planungen weitere 60 Millionen Euro nötig.
Auch den Gegnern des Wiederaufbaus ging es mit ihrem erfolgreichen Bürgerbegehren und dem als zweite Stufe geplanten und nun gescheiterten Bürgerentscheid ums Geld: Die angestrebte Volksbefragung hätte nur mittelbar Einfluss auf den geplanten Wiederaufbau der Barockkirche nehmen können. Doch mit einem klaren Votum gegen die Kirche hätten mögliche Sponsoren und Spender abgeschreckt werden können. Das war neben dem Meinungsbild das Ziel.
Dass das Bürgerbegehren gegen den Wiederaufbau am Mittwochabend wegen der ungeheuren Zahl von Enthaltungen von der Stadtverordnetenversammlung gebilligt wurde - mit acht Ja- und drei Nein-Stimmen bei 39 Stimmberechtigten -, sehen die Initiatoren der Volksbefragung als Missachtung der Demokratie. Die Übernahme von Bürgerbegehren durch Kommunalparlamente sei in der Kommunalverfassung nur zur Verfahrensvereinfachung vorgesehen, "aber nicht zum Schutz vor ungewünschten Abstimmungsergebnissen", kritisierte die linksalternative Fraktion "die Andere".
Wirklich ehrlich haben bei der Sondersitzung des Potsdamer Kommunalparlaments nur die acht anwesenden Stadtverordneten der Linken gestimmt, die das Bürgerbegehren gegen die Garnisonkirche angenommen haben. Die drei anwesenden Vertreter der Fraktion "die Andere" haben ihr eigenes Bürgerbegehren abgelehnt: Ein hilfloser Versuch, doch noch den aussagekräftigeren Bürgerentscheid zu bekommen, der nur nach einer Ablehnung des Bürgerbegehrens durch die Stadtverordneten gekommen wäre.
Alle anderen haben sich, obwohl sie das Bürgerbegehren teils scharf kritisiert haben, enthalten. Damit gab es eine Mehrheit für das Bürgerbegehren. Ganz formal sieht es nun so aus, als hätte sich die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche und für die Auflösung der Baustiftung ausgesprochen. Tatsächlich steht jedoch die Mehrheit der Stadtverordneten weiter zu dem Projekt.
Vertreter fast aller Fraktionen argumentierten am Mittwochabend für den Wiederaufbau der evangelischen Kirche und sprachen sich zugleich für weitere Debatten über das Bauprojekt aus. Die Entscheidung gegen den Bürgerentscheid müsse Auftakt für weitere intensive stadtpolitische Diskussionen sein, betonte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD).
Die Garnisonkirchen-Stiftung hat nun angekündigt, die Aufforderungen der Stadtverordneten ernst zu nehmen und sich stärker um die Vermittlung ihrer Anliegen der Friedens- und Versöhnungsarbeit zu bemühen. "Wir haben Hausaufgaben bekommen", sagte Vorstand Peter Leinemann nach der Abstimmung. Dies sei positiv, und dem müsse man sich nun stellen.
Quelle: epd