Großer Anstieg an Fällen in diesem Jahr TV-Bericht: Kirchenasyl soll erschwert werden
10.12.2014 · Mainz/Nürnberg/Berlin. Die Bedingungen für Menschen im Kirchenasyl in Deutschland sollen verschärft werden. In diesem Jahr sind die Zahlen sprunghaft angestiegen.
Die deutschen Behörden wollen offenbar die Bedingungen für Menschen im Kirchenasyl verschärfen. Die Betroffenen sollen als "flüchtig" eingestuft werden, die Abschiebefrist soll von sechs auf 18 Monate verlängert werden, wie das ZDF-Magazin "Frontal 21" am Dienstag in Mainz unter Berufung auf Pläne einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe meldete. Die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" übte scharfe Kritik an dem Vorhaben.
Betroffen sind Personen, auf die die sogenannte Dublin-II-Verordnung zutrifft. Das heißt, sie sind über ein anderes EU-Land nach Deutschland eingereist, anstatt im Erstaufnahmeland Asyl zu beantragen. In ihren Fällen gilt eine sogenannte Überstellungsfrist von sechs Monaten, in denen die Abschiebung in das Erstaufnahmeland stattgefunden haben muss. Wird die Frist nicht eingehalten, können die Flüchtlinge Asyl in der Bundesrepublik beantragen. Auch Menschen im Kirchenasyl fallen bisher unter diese Regelung. Für "flüchtige" Personen gilt hingegen eine Frist von 18 Monaten. Festgelegt wurde dies Mitte 2013 in der sogenannten Dublin-III-Verordnung.
Eine Sprecherin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wollte den Bericht auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) zunächst nicht kommentieren, da der genaue Inhalt nicht bekannt sei. Sie verwies aber darauf, dass das Kirchenasyl kein eigenes Rechtsinstitut sei und sich die Flüchtlinge der rechtmäßigen Überstellung in den zuständigen Staat entzögen. Das Bundesamt plane demnächst Gespräche mit Kirchenvertretern über das Thema.
Kirchenasyl sei und bleibe ein "Instrument der Menschenrechtsarbeit", sagte hingegen die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG), Dietlind Jochims. "Dass nun begonnen wird, die humanitären Handlungspartner einzuschüchtern, ist unverständlich und kontraproduktiv."
190 Kirchenasyle - Steigerung um rund 140 Prozent
Die Zahl der Kirchenasyle hat nach Angaben der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft vom Dienstag in diesem Jahr sprunghaft zugenommen. Demnach gibt es derzeit bundesweit 190 Kirchenasyle mit mindestens 357 Personen, unter ihnen 119 Kindern. Das ist eine Steigerung um rund 140 Prozent zum Vorjahr mit damals 79 Fällen.
157 der aktuellen Kirchenasyle seien sogenannte Dublin-II-Fälle, hieß es. Allein in Berlin leben derzeit 85 der sogenannten Oranienplatz-Flüchtlinge unter dem Dach der Kirche. Die Arbeitsgemeinschaft führt dies neben den generell gestiegenen Flüchtlingszahlen auf das uneinheitliche EU-Asylsystem, inhumane Aufnahmebedingungen und ein bürokratisches Verteilsystem zurück.
Beim Kirchenasyl handelt es sich um eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Es beruht zumeist auf einer stillen Übereinkunft zwischen Kirche und Staat. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte sich bei ihrer jüngsten Tagung in Dresden ausdrücklich hinter die Gemeinden gestellt, die Kirchenasyl gewähren.
Laut Dublin-Verordnung müssen Flüchtlinge in dem Land einen Asylantrag stellen, in dem sie erstmals Boden der EU betreten haben. Das sind meist die Länder an den EU-Außengrenzen, etwa Italien oder Griechenland. Weil in vielen dieser Länder die Versorgung von Asylbewerbern schlecht ist, reisen diese weiter. Viele von ihnen kommen nach Deutschland.
Quelle: epd