Neue Studie über Zwangsarbeit in der DDR soll am 16. Juni vorgestellt werden DDR-Opferverbände fordern Entschädigung von der Bahn
01.06.2014 · Berlin. Zwangsarbeit in der DDR: viele ausländische Unternehmen profitierten von den für sie günstigen Produktionsbedingungen. Jetzt kommen neue Details ans Licht.
Zwangsarbeit von Strafgefangenen in der DDR ist offenbar weiter verbreitet gewesen als bislang angenommen. Eine von Opferverbänden in Auftrag gegebene Studie kommt zum Ergebnis, "dass die Zwangsarbeit in der DDR von Anfang an als zentral gesteuertes System der wirtschaftlichen Ausbeutung von Strafgefangenen angelegt war". Die laut Medienberichten vom Möbelkonzern Ikea finanzierte Studie soll am 16. Juni in Berlin vorgestellt werden, teilte die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) mit. Inzwischen gibt es erste Entschädigungsforderungen an die Deutsche Bahn und an den Energiekonzern Vattenfall.
Kennzeichen der DDR-Zwangsarbeit seien "schwerste Bestrafungen bei Verweigerung der Arbeit, eine hohe Unfallquote und schlechte Ernährung" gewesen, teilte der Dachverband der Opferverbände am Samstag auf seiner Internetseite mit. Im Vordergrund habe gestanden, ein Maximum an Profit aus den Strafgefangenen herauszuholen. Besonders hart habe es dabei die politischen Gefangenen getroffen.
Der Vorsitzende der Union der Opferverbände, Rainer Wagner, fordert deshalb von der Deutschen Bahn AG wegen des Einsatzes von Strafgefangenen bei der Reichsbahn der DDR Entschädigungen. Der "Berliner Zeitung" (Wochenendausgabe) sagte Wagner, die Deutsche Bahn dürfe sich nicht wegducken. "Die Entschädigung muss kommen." Die Deutsche Bahn AG sei hundertprozentig in der Verantwortung. Die Reichsbahn in der DDR habe von der Zwangsarbeit mit am stärksten profitiert.
Der Vorsitzende des Rates der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Markus Meckel, widersprach dieser Forderung, weil nicht nur politische, sondern "Häftlinge insgesamt" betroffen gewesen seien. "Das ist kein zusätzliches und besonderes Unrecht", erklärte Meckel der Zeitung. Deshalb sehe er "keine unmittelbare Regresspflicht vonseiten der Deutschen Bahn".
Laut UOKG-Studie soll die Reichsbahn in der DDR zwischen 1951 und 1989 regelmäßig Kontingente von Zwangsarbeitern erhalten haben. Jährlich seien rund 1.200 bis 1.500 Strafgefangene eingesetzt und zu schweren Arbeiten im Gleisbau oder bei der Verschrottung von Waggons gezwungen worden, berichtet die Zeitung. Das Bundesverkehrsministerium äußerte sich zunächst nicht gegenüber der Zeitung und verwies auf die noch ausstehende Vorstellung der Studie Mitte des Monats. Autor der Studie "Das System der Zwangsarbeit in der SED-Diktatur. Die wirtschaftliche und politische Dimension" ist der Politikwissenschaftler Christian Sachse.
Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung (Samstagsausgabe) mussten politische Häftlinge in der DDR unter schwersten Bedingungen auch im Braunkohle-Tagebau arbeiten. Dabei bezieht sich der Zeitungsbericht ebenfalls auf die neue Studie. Autor Sachse erklärte gegenüber der Zeitung, "Inhaftierte waren im Braunkohletagebau in der Lausitz und in Bitterfeld eingesetzt". Auch Arbeitserziehungskommandos mit jungen Menschen seien bis zum Ende der DDR in den Braunkohletagebau geschickt worden.
Der Wissenschaftler forderte den Energieversorger Vattenfall, der heute unter anderem in der Lausitz mehrere Tagebaue betreibt, auf, Entschädigungen an die Zwangsarbeiter zu zahlen. "Vattenfall muss die Häftlingsarbeit in den Braunkohlegebieten Ostdeutschlands aufarbeiten. Ich sehe Vattenfall in der moralischen Verantwortung eine finanzielle Entschädigung für die Häftlinge zu leisten", wird Sachse zitiert. Vattenfall äußerte sich dem Zeitungsbericht zufolge zu den Forderungen bislang nicht.
Bereits Anfang des Jahres ist eine Studie zu DDR-Zwangsarbeit unter dem Titel "Knastware für den Klassenfeind" bei der Stasi-Unterlagenbehörde erschienen. Neben Möbeln und anderen von Häftlingen hergestellten Waren sollen demnach zeitweise auch Blutkonserven der Häftlinge in den Westen verkauft worden sein.
Quelle: epd