"Da kommt mir keiner in den Sinn, den ich vergleichen könnte" Greifswalder Koeppen-Literaturpreis für Karl-Heinz Ott
Von Nicole Kiesewetter
22.06.2014 · Greifswald.Der Schriftsteller Karl-Heinz Ott erhält am (morgigen) Montag den mit 5.000 Euro dotierten Wolfgang-Koeppen-Literaturpreis 2014 der vorpommerschen Hansestadt Greifswald. Die Auszeichnung wird ihm im Literaturzentrum Vorpommern, dem Geburtshaus des Schriftstellers und Greifswalder Ehrenbürgers Koeppen, überreicht. Die Laudatio hält Anna Katharina Hahn (Stuttgart), die als letzte Preisträgerin das Vorschlagsrecht für den alle zwei Jahre verliehenen Literaturpreis hatte.
"Als ich von der Auszeichnung erfuhr, bin ich gleich ans Bücherregal gegangen und habe nach Koeppens Werken geschaut", sagt der 1957 in Ehingen an der Donau geborene Autor. Vor allem Koeppens Tagebücher habe er als junger Mann "emsig gelesen", erinnert er sich, "die haben mich völlig fasziniert". Dabei sei er vor allem beeindruckt gewesen davon, dass Koeppen "so kurz nach der kulturellen Durststrecke Deutschlands" in den 1950er Jahren viele literarische Einflüsse aus dem nicht deutschsprachigen Raum einfließen ließ, vor allem aus Frankreich. "Ich mochte Koeppens überbordende Sprache".
Karl-Heinz Ott musste sich nach dem Abitur entscheiden, ob er an der Musikhochschule Klavier studieren oder ein geisteswissenschaftliches Studium beginnen wollte. Er wählte Philosophie, Germanistik und Musikwissenschaft, weil er fürchtete, nicht mehr genügend Zeit zum Lesen zu haben, wenn er sechs bis sieben Stunden am Tag am Klavier hätte sitzen müssen. Dennoch findet die Musik immer wieder Eingang in sein literarisches Werk. Sei es dadurch, dass er seine Protagonisten mit musikalischen Kenntnissen ausstattet oder ihm Kritiker attestieren, durch seinen Sprachstil ("die langen Satztiraden mit den vielen konjunktivistischen Wendungen") verwandele er "seine Musikalität in Text".
Ott arbeitete als Dramaturg in Freiburg, Basel und Zürich. Seit 1996 ist er freischaffender Schriftsteller. 1998 erschien sein Romandebüt "Ins Offene", der mit dem Förderpreis des Hölderlin-Preises und dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichnet wurde. Besonders in seinen beiden Romanen "Endlich Stille" (2005) und "Ob wir wollen oder nicht" (2008) habe Ott gezeigt, wie ein Schriftsteller die Moderne "selbstständig und eigensinnig fortschreiben und dabei elegant mit der Tradition spielen kann", begründete die vormalige Preisträgerin Hahn ihren Vorschlag.
Dabei habe Ott "immer ein scharfes Auge für die sozialen Rahmenbedingungen seiner höchst individualistischen Helden". Hinzu kämen ein originärer, unverwechselbarer Stil sowie eine eigene Sprache. "Endlich Stille" handelt von den Konsequenzen, die sich ergeben können, wenn man einen Fremden nicht im entscheidenden Augenblick wieder los wird. In "Ob wir wollen oder nicht" beschäftigt sich Ott mit der Frage, was passiert, wenn man nichts getan hat und dadurch schuldig wird. Zuletzt ist von ihm der Roman "Wintzenried" über den französischen Philosophen Rousseau erschienen.
Neben seinen Romanen und einem Buch über Georg Friedrich Händel schuf Ott Bühnenbearbeitungen und schrieb zwei Theaterstücke. Daneben verfasst er Reportagen, Essays und Theaterpublikationen. Ott ist seit 2006 ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz und Träger zahlreicher Auszeichnungen, wie dem "Allemannischen Literaturpreis" und dem Preis der "LiteraTour Nord". Nun kommt mit dem Wolfgang-Koeppen-Preis eine weitere Auszeichnung dazu.
Mit dem Greifswalder Koeppen-Preis werden seit 1998 alle zwei Jahre Autoren geehrt, deren literarisches Wirken im Geist Koeppens "am Projekt der unvollendeten literarischen Moderne fortschreibt". Koeppen sei es immer mehr um ein assoziatives als um ein lineares Erzählen gegangen, sagt Ott. "Das ist ein Sprachstil, der schon früh auch in mir selbst gereift ist." Auf diesem Gebiet sei Koeppen für ihn der spannendste Autor der unmittelbaren Nachkriegszeit: "Da kommt mir keiner in den Sinn, den ich vergleichen könnte". In Greifswald sei er bisher noch nie gewesen, sagt Ott. Nun gibt es endlich einen Anlass für die weite Anreise aus dem badischen Freiburg.
Quelle: epd