Plattdüütsch oder pälzisch: Dialekt ist im Gottesdienst kein Tabu mehr

Von Marcus Mockler

11.06.2014 · Hamburg. In der Kirche regiert Hochdeutsch. Doch nicht nur Plattdeutsch-Pastoren im hohen Norden sondern auch Pfarrer tiefen Süden brechen das zunehmend auf.

Manfred Mergel ist Schwabe. Der württembergische evangelische Pfarrer hat schon lange keine Lust mehr, seinen Dialekt an der Kirchentüre abzulegen. Seine Gottesdienste auf Schwäbisch locken regelmäßig eine ansehnliche Fangemeinde an - auch über den innerkirchlichen Kreis hinaus. "In der Mundartpredigt steckt eine missionarische Chance. Wir erreichen Menschen, die der Kirche und ihrer kirchlichen Binnensprache entfremdet sind oder skeptisch bis kritisch gegenüberstehen."

Der Süden und der hohe Norden haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zu Hochburgen einer Bewegung entwickelt, die Alltagsdialekt und Gottesdienstsprache wieder zusammenführen. Im Norden verbreitet das Forum "Plattdüütsch in de Kark" den Gedanken, dass sich auch in der Mundart beten und predigen lässt. Dort hatte sich ohnehin immer eine Tradition gegen die komplette Übernahme des Hochdeutschen in der Kirche behauptet.

Gottesdienste im Dialekt sind aber auch in anderen Regionen Deutschlands, etwa in Bayern oder der Pfalz, populärer geworden. Neben dem Niederdeutschen entdecken Schleswig-Holsteiner an der Westküste das Friesische für den Gottesdienst. Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag hat sich seit 1999 ein "MundArtZentrum" etabliert, 2001 ist das "Forum für Regionalsprachen und Mundart in der Kirche" entstanden.

Dabei war die Kirche in früherer Zeit Botschafter des Hochdeutschen. So weist der frühere pfälzische Dekan Werner Schwartz darauf hin, dass es ehemals der Gelehrtenstatus der Pfarrer war, der sie das Hochdeutsche bis auf die Kanzeln im hintersten Dorf tragen ließ. Zudem mussten Konfirmanden Hauptaussagen des christlichen Glaubens in hochdeutscher Fassung auswendig lernen. Mit Hilfe von Schule und Massenmedien hat die Hochsprache den Dialekt immer weiter aus dem gemeindlichen Leben verdrängt.

Schwartz zeigt aber auch Grenzen der Mundart auf: Dialekt sei von einer "relativen Derbheit" gekennzeichnet, könne schwer Gefühle in Worte fassen und besitze keine Begriffe für Unanschauliches und Abstraktes. Da es in Glaubensfragen gerade auch um komplexe Gedanken und um Gefühl gehe, stoße die christliche Botschaft im lokalen Sprachgewand an ihre Grenzen.

Das sei aber kein Grund, den Dialekt aus der Kirche zu verbannen, sagt Schwartz. Vielmehr könne er helfen, hochtrabende theologische Gedanken wieder so zu vereinfachen, dass sie von allen verstanden werden. "Was einfach zu beschreiben ist, ist auch einfach zu verstehen." Ein praktisches Beispiel bietet Pfarrer Otmar Fischer im pfälzischen Weisenheim, der zweimal im Jahr mit Tabakspfeife auf der Kanzel predigt - frei nach der Liedzeile: "In de Palz geht de Parre mit de Peif in die Kärch."

Quelle: epd