Früherer ZdK-Präsident Meyer: DDR-Katholiken haben Zeichen der Veränderung "zu spät erkannt"

22.03.2014 · Geisa.

Der langjährige Präsident des Zentralrates der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, hat die "vorsichtige Zurückhaltung" der katholischen Kirche in der DDR gegenüber dem SED-Staat kritisiert. Durch die vor allem vom Berliner Bischof Alfred Bengsch vertretene Haltung der "schweigenden Distanz" habe die katholische Kirche die Zeichen der Veränderung in den 80-er Jahren "zu spät erkannt", sagte Meyer am Freitag in einem Seminar der Point-Alpha-Stiftung in Geisa (Wartburgkreis). Die evangelischen Kirchen seien "ungleich mutiger und sehr viel früher" bereit gewesen, in ihren Einrichtungen den entstehenden unabhängigen Gruppen "Raum und Schutz" zu geben.    

Erst mit dem Katholikentreffen 1987 in Dresden und in den folgenden Jahren im Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung hätten die Katholiken "öffentliche Zeichen" gesetzt und mit der Teilnahme an der Diskussion gesellschaftlicher Themen zum Entstehen einer "Gegenöffentlichkeit" beigetragen. Zudem habe das Wiedererstehen der katholischen Laienbewegung den Öffentlichkeitsanspruch einer Minderheit formuliert in einem Land, das von Anfang an alles Christliche aus der Öffentlichkeit verdrängen wollte, sagte der erste sächsische Wissenschaftsminister nach dem Ende der DDR.

Die langjährige "schweigende Diskrepanz" habe den Katholiken jedoch eher den Blick für die sich abzeichnende Realität geöffnet, stellte Meyer fest. Im Gegensatz zu evangelischen Kirchenvertretern und deren Illusionen von einer "Reformierung der DDR" hätten sich Katholiken frühzeitig für die Wiedervereinigung eingesetzt, "um so zum Weg in ein neues Leben beizutragen". Insgesamt aber seien die Kirchen in der DDR trotz aller Eingriffe der SED-Diktatur bis zu deren Ende "intakt und selbstbestimmt" geblieben, so dass sie ihre "geistige und strukturelle Unversehrtheit" hätten erhalten können. "In engen Räumen bestimmten sie selbst, was sie taten", sagte Meyer.

Der katholische Pfarrer Heinz-Josef Durstewitz sagte, die Kirchen hätten "mit Caritas, Kult und Katechese" für die einzigen Freiräume gestanden, die der SED-Staat gewährte. "Damit war auch katholische Identität vorgegeben." Die kirchlichen Arbeitsfelder seien jedoch in den 80-er Jahren auch in katholischen Gemeinden zusehends weiter gefasst worden, sagte Durstewitz unter Hinweis auf Veranstaltungen mit Musikern und Schriftstellern. Dabei sei die Kirche von den Menschen als "Ort der Freiheit" erlebt worden. Allerdings seien die Freiräume in der Thüringer Provinz geringer gewesen als beispielsweise in Ost-Berlin, fügte Durstewitz hinzu. Der Pfarrer gehörte 1988 in Heiligenstadt zu den Mitbegründern der Bürgerbewegung "Demokratie jetzt" im katholischen Eichsfeld.

Quelle: epd