Spezialisten prüfen mit Drohnen die Substanz des Greifswalder Doms Mini-Ufos unterm Kirchendach
05.03.2014 · Greifswald.Ein gleichmäßiges Surren erfüllte am Dienstag das Kirchenschiff des Greifswalder Doms. Das sonore Geräusch verursachte ein mittels vier Propellern schwebendes Fluggerät, das sich wie ein Ufo zwischen den Pfeilern bewegte. Hoch konzentriert steuerte Diplomingenieur Frank Niemeyer das Gerät, bei dem es sich um eine Drohne, einen sogenannten Multicopter mit eingebauter Miniweitwinkelkamera handelte. Frank Niemeyer ist wie sein Kollege Görres Grenzdörffer Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Geodäsie und Geoinformatik an der agrar- und umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock und erforscht die Nutzungsmöglichkeiten von Flugrobotern. Das Fluggerät, das er im Dom fliegen ließ, hat einen Durchmesser von gut 50 Zentimetern und wiegt weniger als ein halbes Kilogramm. Mit seiner Hilfe wollten die Wissenschaftler unzugängliche Stellen im Kirchenschiff fotografieren, um so Erkenntnisse über die Bausubstanz zu gewinnen.
Einige der Zuganker sind stark beschädigt
„Uns geht es um die Inspektion der Zuganker“, begründete Statiker Christian Kayser den Einsatz der Drohne. Diese Anker stützen das Gebäude in luftiger Höhe. Sie sind essentiell für die Stabilität des Doms, da sie einen Großteil der horizontalen Zugkräfte aufnehmen, die am Kirchenschiff wirken. Doch sie haben unter dem Zahn der Zeit gelitten: „Wir wissen, dass einige Ankerköpfe beschädigt, einige der schmiedeeisernen Zuganker sogar gerissen sind“, so Christian Kayser. „Einige der Ankerköpfe wurden mittels Baugerüsten zugänglich gemacht, um sie aus der Nähe begutachten zu können.“ Praktischer sei es jedoch, ohne diesen erheblichen Aufwand einen Blick darauf zu werfen. Und genau hierbei komme die Drohne ins Spiel. „Durch die Fotos, die von der Drohne gemacht werden, wollen wir von oben auf die Zuganker sehen, um die Schäden erkennen und dann entsprechende Maßnahmen ableiten zu können“, so Kayser.
Unterkühlte Akkus lassen Drohne abstürzen
Sirrend schwebte der Multicopter nach oben. In über 19 Meter Höhe musste er hinauf, um über die Zuganker zu gelangen und von deren Oberseite Fotos zu machen. Dabei wirbelte er weiße Staubwolken von den mächtigen Holzbalken. Nach der ersten Runde der Drohne unterhalb des Domgewölbes überprüfte Frank Niemeyer am Rechner die Fotos, die von der winzigen Kamera aufgenommen wurden. Die Aufnahmen seien vielversprechend, waren sich die Wissenschaftler einig. Allerdings falle aufgrund des bewölkten Himmels zu wenig Tageslicht in den Dom, daher seien die Gegebenheiten für Fotografien nicht optimal. Beim zweiten Flugversuch versagten aufgrund der Kälte im Dom die Akkus, der Multicopter stürzte ab. Geistesgegenwärtig fing Görres Grenzdörffer den Flieger auf, so dass dieser den Sturz unbeschadet überstand. „Wir werden wiederkommen und die Innenaufnahmen an den Zugankern bei besseren Lichtverhältnissen fortsetzen“, kündigte der Ingenieur daraufhin an.
Satellitengesteuert umfliegt die Drohne den Dom
Auch im Außenbereich kam am Dienstag eine Drohne zur Bauwerksüberwachung zum Einsatz. Doch während die Drohne, die an den Zugankern Fotos machte, eher ein Spielzeug sei, handele es sich bei dem Quadrocopter für den Außeneinsatz um ein professionelles Gerät, so Grenzdörffer. „Das Gerät hat eine Leistung von 2000 Watt und wiegt knapp fünf Kilogramm“, sagte der Wissenschaftler. Bis zu einer Flughöhe von 60 Metern steuerte Frank Niemeyer den Quadrocopter per Hand, dann übernahm die Automatik. Die Maschine ist darauf programmiert, satellitengesteuert eine Flugroute abzuarbeiten und dabei mit der Bordkamera rund 1000 Fotos vom Turm und vom Domdach zu schießen. „Obwohl bei der Befliegung ein Programm abläuft, muss ich den Flug permanent überwachen, falls etwas Unvorhergesehenes passiert, das manuelles Eingreifen erfordert, wie beispielswiese ein Windstoß“, so Frank Niemeyer, der den Quadrocopter nicht aus den Augen ließ.
Aus den Fotos entsteht ein dreidimensionales Modell
Bis zu einer Höhe von 300 Metern dürfe die Drohne aufsteigen. „Sie könnte theoretisch noch viel höher fliegen, doch das ist die in Mecklenburg-Vorpommern erlaubte Maximalflughöhe“, erklärte Görres Grenzdörffer. „Wir haben unter anderem schon Deiche beflogen und machten Aufnahmen für Vogelzählungen, Kirchen waren bislang nicht dabei. Die Befliegung eines solchen Gebäudes ist also Neuland für uns“, so der Ingenieur. Aus den Fotos, die der Quadrocopter aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufnimmt, wird die Firma MAB Vermessung Vorpommern mittels spezieller Software innerhalb mehrerer Wochen dreidimensionale, digitale Oberflächenmodelle vom Dach und vom Turm des Doms entwickeln, die auf wenige Zentimeter genau sind. Allerdings mussten aufgrund der ungünstigen Wetterverhältnisse am Dienstag die Außenaufnahmen vorerst abgebrochen werden. Erst wenn der Wind es in den nächsten Tagen zulässt, wird wieder ein „Mini-Ufo“ um den Turm des Greifswalder Doms schwirren.
Quelle: PEK (sk)