Kunst als Kartengruß Faszinierende Motive aus mittelalterlicher Buchkunst
14.04.2015 · Greifswald. Zum Start der Urlaubssaison ist ein Postkartensatz mit faszinierenden Motiven aus der mittelalterlichen Buchkunst erschienen. Der Verkaufserlös der Karten, die Initialen aus der Bibliothek des Geistlichen Ministeriums im Greifswalder Dom zeigen, kommt dem Erhalt des Gotteshauses zugute.
Sie haben Ranken oder Flechtbänder, sie sind vergoldet, historisierend oder gar „bewohnt“. Gemeint sind Initialen, die kunstvoll gemalten Anfangsbuchstaben in den Büchern der Bibliothek des Geistlichen Ministeriums im Greifswalder Dom. Die Schönheit und Vielfalt dieser Buchstaben haben Antje Heinrich-Sellering von der Domgemeinde und Klaus Wiggers, ehrenamtlicher Bibliothekar im Dom, auf eine außergewöhnliche Idee gebracht. Unterstützt vom Vorsitzenden des Domfördervereins, Professor Dr. Matthias Schneider, Dompfarrer Matthias Gürtler und Dr. Christine Magin von der Greifswalder Inschriftenkommission sowie umgesetzt vom Berliner Fotografen Martin Claus initiierten sie eine Postkartenreihe, auf denen einige der kunstreichsten Initialen ins rechte Licht gerückt werden. Touristen und Einheimische haben nun gleichermaßen die Möglichkeit, mit den Initialen-Postkarten einen originellen Gruß aus Greifswald zu versenden oder die Karten als Andenken mitzunehmen. Bislang gibt es 15 verschiedene Motive, die ab sofort im Dom für 70 Cent pro Stück erhältlich sind. Der gesamte Satz kostet neun Euro. Das Geld kommt in Gänze dem Erhalt des Doms zugute.
Unikat und Kunstwerk zugleich
„Eigentlich hat jede Buchseite in der Bibliothek etwas Besonderes. Aber als uns die teils wunderschöne, teils humorvolle Gestaltung der Initialen deutlich wurde, war klar, dass dieser Schatz gehoben werden muss“, erzählt Antje Heinrich-Sellering von der Genese der Postkarten-Idee. „Wir hatten zuvor schon lange überlegt, was man interessierten Besuchern als Andenken mitgeben könnte und die Initialen waren da hervorragend geeignet.“ Manche der von den Schreibern aus dem Mittelalter gestalteten Initialen schmücken wie ein Rahmen ganze Buchseiten. Bewohnte Initialen enthalten figürliche Bilder. Jeder Buchstabe ist somit Unikat und Kunstwerk zugleich.
Initialen enthalten versteckte Zeichnungen
Die Initialen wurden selbst noch in den Anfängen der Buchdruckerkunst kunstvoll per Hand gemalt. „Damals war das technisch anders noch nicht machbar“, erklärt Klaus Wiggers. Ein glücklicher Umstand, wie jeder feststellt, der die kunstvollen Buchstabenmalereien betrachtet. „In manchen der Initialen finden sich sogar versteckte Zeichnungen, die als Drolerie bezeichnet werden.“ Sie zeigen oft kleine Gesichter, mit denen sich der Initialenmaler vielleicht selbst in dem Buchstaben verewigt hat. Die Gründe für diese Zeichnungen sind Spekulation. War dem jeweiligen Schreiber etwa von der Buchstabenmalerei die Zeit lang geworden? „Ich glaube, es ist vielmehr ein Ausdruck dafür, wie viel Freude die Menschen damals an dieser Arbeit hatten“, ist Klaus Wiggers überzeugt, der als ehemaliger Buchdrucker einen ganz besonderen Bezug zu den Büchern hat.
Motive aus Handschriften und Inkunabeln
Die Motive auf den Postkarten stammen zum Teil aus so genannten Wiegendrucken oder Inkunabeln. Darunter versteht man die Bücher und Einzelschriften, die in der Zeit zwischen der Entstehung der Gutenberg-Bibel im Jahr 1454 und dem Jahr 1500 mit beweglichen Lettern gedruckt wurden. Auf den Postkarten sind aber auch Initialen aus Handschriften dabei. Auf der Rückseite jeder Karte ist der entsprechende Nachweis zu finden. So ist beispielsweise die Initiale I in der lateinisch-niederdeutschen Handschrift „Brevilogus“ aus dem Jahr 1461 zu finden. Das reich verzierte F stammt aus „Antonius (Florentinus): Summa theologica“ aus dem 15. Jahrhundert.
Nachforschungen im Wintermantel
Bei der Auswahl seien sie nicht nach dem Alphabet, sondern nach Schönheit der Buchstaben gegangen. Eine alphabetische Vorgehensweise sei auch nicht praktikabel, erklärt Klaus Wiggers. Einerseits wüssten sie nicht, wo genau die einzelnen Buchstaben zu finden sind. Andererseits sei die Häufigkeit der Buchstaben sehr unterschiedlich, das K komme sogar überhaupt nicht vor. „Im Lateinischen wird statt K stets C geschrieben“, erklärt der Bibliothekar. „Wir suchen auch immer noch ein schönes M.“ Bei diesen oft stundenlangen Nachforschungen in den alten Büchern tragen Antje Heinrich-Sellering und Klaus Wiggers stets warme Wintersachen, selbst wenn jetzt die Frühlingssonne draußen wärmt. „In der Bibliothek ist es gleichbleibend kühl, um die wertvollen Bestände zu schützen“, so Klaus Wiggers, dessen genaue Kenntnis der wertvollen Drucke und Handschriften bei der Initialen-Suche besonders hilfreich ist.
Postkartenprojekt wird fortgesetzt
Die erste Auflage der Initialenansichtskarten beträgt 2.000 Stück. Sollte das gemeinsame Postkartenprojekt von Domgemeinde und Förderverein erfolgreich sein, wird es weitere Auflagen und sicherlich noch viele weitere Motive geben. Geeignete Initialen sind in der Bibliothek des Geistlichen Ministeriums im Greifswalder Dom noch viele zu finden.
Quelle: pek/sk