Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen Ehemaliger KZ-Sanitäter in MV angeklagt

24.02.2015 · Schwerin.

Ein 94-jähriger Mann aus Vorpommern, der als SS-Sanitäter im KZ Auschwitz-Birkenau gearbeitet haben soll, ist wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen angeklagt worden. Wie die Staatsanwaltschaft Schwerin mitteilte, wurde die Anklage am Montag dem Schwurgericht des Landgerichts Neubrandenburg zugeleitet. Die Ermittler werfen dem Angeklagten vor, in der Zeit vom 15. August 1944 bis zum 14. September 1944 durch seine Tätigkeit dazu beigetragen zu haben, dass die SS-Leute handlungsfähig waren und die Massenvernichtung von Deportierten ausführen konnten. Eine direkte Tatbeteiligung an Selektionen konnte dem Mann laut Staatsanwaltschaft nicht nachgewiesen werden. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm drei bis 15 Jahre Haft.

Für den Tatbestand der Beihilfe sei es nicht erforderlich, dass der Angeklagte ins unmittelbare Tötungsgeschehen eingebunden war, sagte Oberstaatsanwältin Claudia Lange. Entscheidend sei, ob er das Tatgeschehen kannte und dass er es unterstützte. Da der Angeklagte bereits von Oktober 1943 bis Januar 1944 im Frauenlager des KZ Auschwitz-Birkenau diente, habe er selbstverständlich Kenntnis vom Vernichtungsgeschehen gehabt. Das Frauenlager grenzte laut Lange an den Weg, den die Deportierten zu den Gaskammern beschreiten mussten und befand sich in unmittelbarer örtlicher Nähe zu den Gaskammern und den Krematorien. Deshalb sei dem Angeklagten der Geruch nach verbranntem Fleisch nicht verborgen geblieben.

Laut Oberstaatsanwalt Stefan Urbanek gibt es Hinweise auf andere Tatzeiträume als den jetzt in der Anklage genannten. Deshalb werde weiter gegen den 94-Jährigen ermittelt. Nach Angaben des ermittelnden Staatsanwaltes Hans Förster war der jetzt Angeklagte nach dem Krieg in Schleswig-Holstein festgenommen und nach Polen ausgeliefert worden. Ein polnisches Gericht in Krakau habe ihn 1948 wegen seiner Zugehörigkeit zur SS verurteilt. Etwa dreieinhalb Jahre soll er in Polen inhaftiert gewesen und nach Verbüßung der Strafe nach Vorpommern zurückgekehrt sein. Laut Förster war der Angeklagte 1940 Mitglied der Waffen-SS geworden. Förster rechnet nach eigenen Angaben entgegen einem Gutachten eines Psychologen damit, dass der 94-Jährige, der zu DDR-Zeiten in der Landwirtschaft arbeitete, verhandlungsfähig ist.

In dem der Anklageschrift zugrunde gelegten Tatzeitraum gingen im KZ Auschwitz-Birkenau wenigstens 14 Gefangenentransporte ein, unter anderem aus Rhodos, Triest, Lyon, Mauthausen, Wien und Westerbork (Niederlande). In dem Zug aus Westerbork befanden sich auch Anne Frank, die Verfasserin der bekannten Tagebücher, mit ihren Eltern und ihrer Schwester. Anne Frank wurde später in das KZ Bergen-Belsen deportiert, wo sie im März 1945 starb.

Quelle: epd