Der Kraft des Kreuzes nachspüren Jugendkreuzwege und EKD-Grundlagenschrift wollen persönliche Zugänge zur Passion Jesu öffnen

Von Tilman Baier

Das Kreuz im Fokus: Die Bilder für die Stationen auf dem diesjährigen Kreuzweg der Jugend schuf der Kölner Fotokünstler Bernd Arnold. Hier das Bild zur ersten Leidensstation

Repro: Bernd Arnold/afj

29.03.2015 · Schwerin. Das Kreuz kommt wieder in den Blick. Nicht nur, weil an diesem Palmsonntag die Karwoche beginnt, Höhepunkt der Passionszeit. Am Freitag beteten auch wieder Zehntausende junger Christen in der ganzen Bundesrepublik den Ökumenischen Kreuzweg der Jugend. Und die Evangelische Kirche in Deutschland hat am Donnerstag einen neuen Grundlagentext zur Kreuzestheologie veröffentlicht.

Der Ökumenische Kreuzweg der Jugend ist eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art. Ob in Stralsund oder Flensburg, Rehna oder Hamburg: An etlichen Orten der Nordkirche haben am Freitag Abend evangelische und katholische Jugendliche gemeinsam den Passionsweg Jesu nachvollzogen. Mit jährlich knapp 60 000 Teilnehmenden gehört dieser Kreuzweg heute zu den größten ökumenischen Jugendaktionen. Auch in den Niederlanden, Österreich und den deutschsprachigen Teilen von Luxemburg, Belgien und der Schweiz beten ihn junge Christen.

Entstanden ist der Jugendkreuzweg 1958 als „Gebetsbrücke” zwischen jungen Katholiken in der Bundesrepublik und der DDR; seit 1972 wird er ökumenisch begangen. Auch heute soll er helfen, Grenzen zu überwinden, vor allem die der Gleichgültigkeit, wünschen sich die Veranstalter, die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend und die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend Deutschland (aej).

In diesem Jahr steht der Jugendkreuzweg unter dem Titel „Im Fokus: Das Kreuz”. Dabei soll der Umgang mit Leid und Tod in Gesellschaft und Medien mit der Passion Jesu konfrontiert werden. „So unterschiedlich die Kreuzwege Jahr für Jahr sind – Intention ist immer, den Glauben für das eigene Leben zu erschließen”, heißt es auf der Homepage www.jugendkreuzweg.de.

Das Kreuz im Fokus hat auch ein neuer theologischer Grundlagentext der Evangelischen Kirche in Deutschland, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Unter dem Titel „Für uns gestorben. Die Bedeutung von Leiden und Sterben Jesu Christi” hat die Theologische Kammer der EKD eine aktuelle Annäherung an die nicht nur in den letzten Jahren immer wieder angefragte Kreuzestheologie gewagt.

Mitte und Substanz des christlichen Glaubens

„Ein gefolterter Mensch am Kreuz – oft blutend an Händen und Füßen dargestellt – ein Bild, das schwer zugänglich ist: Manchen ist es so vertraut, dass das Unerhörte übersehen wird, anderen ist es so fremd, dass sie sich irritiert abwenden. Dabei kennzeichnet dieses Bild die Mitte und die Substanz des christlichen Glaubens”, schreibt dazu die EKD-Pressestelle.

Zugänge zu diesem Glauben zu schaffen, das ist das erklärte Ziel dieser knapp 200-seitigen Schrift im Taschenbuchformat, das auch über die EKD-Internetseiten abrufbar ist. Christoph Markschies, Professor für Ältere Kirchengeschichte an der Berliner Humboldt- Universität und Vorsitzender der Kammer für Theologie der EKD, erklärt dazu: „Gute evangelische Theologie orientiert Menschen im Leben und im Sterben; gute Theologie versucht aber auch, den Reichtum biblischer Traditionsbestände, soweit irgend möglich, verständlich zu machen.”

Zu dieser biblischen Tradition gehört auch der Versuch von Christen der ersten Generation, dem nach damaligen Maßstäben schändlichen Tod Jesu von Nazareth am Kreuz einen Sinn zu geben. Mit ihrer jüdischen Bibel, dem späteren Alten Testament der Christen, deuteten sie den verstörenden Tod Jesu vor dem Hintergrund der biblischen Rede von Sünde und Schuld.

Heute sei dieser Hintergrund selbst innerhalb der Kirchen nur noch einem Teil der Menschen verständlich, so Markschies. Darum stehen am Schluss des Grundlagentextes „Für uns gestorben” knappe Antworten auf rund vierzig besonders existentielle Fragen unserer Zeit zur Kreuzestheologie.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 13/2015