Schutz für Flüchtlinge als "Gebot der Nächstenliebe" Erzbischof Heße: Hass-Rhetorik bedroht die Demokratie
19.06.2016 · Hamburg. Der rauer werdende Tonfall im gesellschaftlichen Diskurs über Flüchtlinge oder über Muslime bedroht nach Ansicht des katholischen Erzbischofs Stefan Heße (Hamburg) grundlegende Werte der Demokratie. "Wer Flüchtlingen ihre Schutzbedürftigkeit abspricht und die Religionsfreiheit für Muslime einschränken will, verrät die Werte des Grundgesetzes".
Besonders bedrückend sei es, dass "hasserfüllte Rhetorik" immer häufiger in rohe Gewalt umschlage, sagte Heße weiter. "2015 zählte das Bundeskriminalamt über 1.000 Übergriffe auf Asylbewerberunterkünfte. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass schutzsuchende Menschen inmitten unseres Landes bedroht und angegriffen werden."
Bei allen politischen Auseinandersetzungen um Fragen von Flucht und Migration dürfe niemals vergessen werden, dass das christliche Gebot der Nächstenliebe dazu aufrufe, schutzbedürftigen Menschen Zuflucht zu gewähren und ihnen ein Gefühl von Heimat zu geben. "Wer sein Heimatland verlässt, um sein Leben zu retten, hat Anspruch auf unsere Solidarität", sagte der Erzbischof. Dazu gehöre "ein Recht auf ein rechtsstaatliches, ein faires Verfahren"
Mit Blick auf die aktuellen Statistiken des UNHCR stellte der Erzbischof fest: "Die Weltgemeinschaft darf sich nicht daran gewöhnen, dass die Flüchtlingszahlen Jahr für Jahr einen neuen Negativrekord erreichen." Insbesondere die Staaten Europas stünden in der Pflicht, die Bekämpfung von Fluchtursachen verstärkt in Angriff zu nehmen. "Solange Krieg und Gewalt, menschenunwürdige Lebensverhältnisse und eklatante Verstöße gegen die Menschenrechte in weiten Teilen Afrikas und des Mittleren Ostens auf der Tagesordnung stehen, ist kein Ende der starken Migrationsbewegungen in Sicht." Europa müsse seinen Nachbarregionen eine "Entwicklungspartnerschaft" anbieten, die diesen Namen verdient.
Ebenso wichtig sei es, den Flüchtlingen auch in den Erstaufnahmeländern - vor allem im Libanon, der Türkei und Jordanien - ein Leben in Würde zu ermöglichen. Heße will vom 15. bis 18. Juli Flüchtlingseinrichtungen im Libanon besuchen, um vor Ort Einblick in die Situation zu erhalten.
Insgesamt zeigte sich Heße zuversichtlich, dass Deutschland die anstehenden Herausforderungen bewältigen könne. Neben einer "hohen politischen und wirtschaftlichen Stabilität" gebe es auch "eine aktive Zivilgesellschaft". Die vielerorts spontan entstandene Willkommenskultur müsse nun zu einer längerfristigen Integrationskultur weiterentwickelt werden. Anlass zur Hoffnung gebe "das ungebrochene Engagement" der vielen ehrenamtlichen Helfer. Allein in den katholischen Kirchengemeinden setzten sich über 100.000 Ehrenamtliche für die Anliegen von Flüchtlingen und Asylbewerbern ein.
Der Hamburger Erzbischof ist seit Herbst 2015 Sonderbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen. Anlass für seine Äußerungen ist der Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen am 20. Juni. Die 27 katholischen Bistümer und die kirchlichen Hilfswerke in Deutschland haben laut Erzbistum im Jahr 2015 insgesamt über 112 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe aufgewendet (2014: 73 Mio. Euro). Rund 71 Millionen Euro gingen demnach an Initiativen im Inland und rund 41 Millionen an Flüchtlingsprojekte in den Krisenregionen.
Quelle: epd