Barther Pastorin geht in den Ruhestand Annemargret Pilgrim: "Mein Leben liegt in Gottes Hand“
30.09.2016 · Barth.Wenn am Sonntag (2. Oktober) um 14 Uhr in einem Gottesdienst in der Barther Marienkirche Annemargret Pilgrim von Pröpstin Helga Ruch und den Gemeindegliedern in den Ruhestand verabschiedet wird, endet für die Pastorin ihre Dienstzeit in der Kirchengemeinde Barth, doch es beginnt auch ein ganz neuer Lebensabschnitt. „Ich erlebe derzeit ein Wechselbad der Gefühle“, sagt Annemargret Pilgrim wenige Tage vor dem Eintritt in den Ruhestand. So vieles sei noch zu erledigen, so einiges noch zu übergeben oder zu Ende zu bringen, doch sei das in der kurzen Zeit gar nicht mehr zu schaffen. Zudem packen sie und ihr Mann Johannes derzeit die Kisten und Kartons für den Umzug. Vor allem von etlichen Büchern werde sie sich trennen müssen, bedauert die Pastorin. Doch sie passen nicht in die neue, kleinere Wohnung in Stralsund.
In das Gemeindeleben hineingewachsen
Die ursprüngliche Heimat von Annemargret Pilgrim ist jedoch nicht Stralsund, sondern Ueckermünde, wo sie 1953 als jüngere von zwei Schwestern geboren wurde. Ihre Mutter war Katechetin, der Vater, nachdem er durch eine Kriegsverletzung nicht mehr als Tischler arbeiten konnte, entschied sich ebenfalls für diesen Beruf. Beide waren im Gemeindeleben sehr engagiert und so wuchs Annemargret Pilgrim ganz selbstverständlich in die Gemeindearbeit hinein. „Ich lebte das alles seit frühester Kindheit mit“, erinnert sich die Pastorin. Dennoch war lange nicht klar, welche berufliche Laufbahn sie einschlagen würde. „Die Junge Gemeinde, geleitet von Pastor Joachim Hoeft, hatte einen großen Einfluss auf mich. Dennoch hatte ich lange Zeit eine ganze Liste von Berufswünschen“, erzählt Annemargret Pilgrim. Vor allem für Biologie und Genetik habe sie sich interessiert.
Kirchenaustritt kam nicht infrage
Als bekennender Christin war ihr jedoch das Biologie-Studium in der DDR verwehrt. Nur dank des Einsatzes ihres damaligen Schuldirektors hatte sie überhaupt das Abitur an der Erweiterten Oberschule in Torgelow absolvieren dürfen. Beim Umlenkungsgespräch zu einem Lehramtsstudium wurde sie dann sogar unter Druck gesetzt; für die Zulassung zum Studium sollte sie aus der Kirche austreten. „Aber das kam für mich überhaupt nicht infrage. Das wussten auch meine damaligen Lehrer und es hat mich sehr bestürzt, dass sie mir das überhaupt vorschlugen“, ist Annemargret Pilgrim noch heute betroffen. Ähnlich erschüttert hat sie die Feier während der Zeugnisausgabe, bei der die Jahrgangsbesten, zu denen sie zählte, sämtlich eine Auszeichnung, die Lessing-Medaille, erhielten. „Nur ich wurde wegen meiner religiösen Einstellung nicht aufgerufen. Auch das eine Erfahrung, die mich bewog, mein Leben nur noch in Gottes Hand zu legen.“
Streitgespräche über den Glauben
Dabei habe sie sich aber schon damals als kritische und weltoffene Christin verstanden. „Bereits in der Schule habe ich viele Streitgespräche über mein christliches Bekenntnis geführt. Ich wollte den Glauben schon immer erklären und war auch auf der Suche nach Argumentationshilfen“, sagt die Pastorin über eine ihrer Motivationen dafür, dass sie sich schließlich für das Theologiestudium entschied. Auch habe sie Naturwissenschaft und ihren Glauben nie als Gegensätze begriffen, für sie sind das Teile eines Ganzen. Mit dieser Aufgeschlossenheit betrachtete Annemargret Pilgrim auch die Verkündigung und interessierte sich für besondere Formen des Gottesdienstes.
Beim Gitarrenunterricht funkte es
Das Studium begann sie 1973 in Greifswald, engagierte sich in der Studentengemeinde und sang im Domchor. Die kleine Studierendengemeinschaft schuf ein familiäres Klima an der Fakultät, die damals noch Sektion hieß. „Wir waren eine ganz enge, verschworene Gemeinschaft, hatten eine sehr reiche Zeit und ein fröhliches Studentenleben“, erinnert sich Annemargret Pilgrim gern an die Jahre des Theologiestudiums. In der Studentengemeinde lernte sie ihren Mann kennen. „Johannes suchte Backgroundsängerinnen für einen Kirchentagsauftritt der Kirchenband ‚Gruppe Shalom‘ und ich machte mit“, schildert Annemargret Pilgrim die erste Begegnung. So richtig gefunkt hat es dann zwischen den beiden aber erst beim Gitarrenunterricht unter vier Augen. Noch während des Studiums heirateten sie, wenig später kam der erste Sohn zur Welt.
Das Leben auf dem Prüfstand
Als eine besonders schöne Zeit bezeichnet Annemargret Pilgrim ihr Vikariat in Wusterhusen und der Greifswalder Mariengemeinde. „Wir wohnten in Hanshagen, wo mein Mann Pfarrverweser war. Mit dem Moped war ich dann als Vikarin auf den Dörfern unterwegs.“ Nach dem Predigerseminar 1979/80 in Wittenberg trat Annemargret Pilgrim im Jahr 1980 ihre erste Pfarrstelle in Blumenhagen an. Drei Jahre später – in der Zwischenzeit waren zwei weitere Söhne auf die Welt gekommen – hielt Annemargret Pilgrim erstmals inne. „Bis zu diesem Moment gab es keine Atempause“, sagt die Pastorin. „Alle Lebensphasen gingen nahtlos ineinander über, doch nun überlegte ich mit 30 Jahren, wie es weitergehen sollte und ob mein Glaube ausreicht für ein lebenslanges Pfarrersein.“ Mit ihren Zweifeln fand sie Halt bei einem katholischen Pfarrer in Pasewalk. Er habe ihr zu mehr Geduld, dass etwas wächst und mehr Achtsamkeit geraten und neuen Halt im Glauben vermittelt. „Ich stellte damals mein Leben auf den Prüfstand und konnte schließlich neu gefestigt sagen: Ja, ich kann und will Menschen in Verkündigung und Seelsorge begleiten.“
Kirchengemeinde als kleines Unternehmen
Bis 1995 blieb Annemargret Pilgrim Pastorin in Blumenhagen, dann wurde sie zur Superintendentin in Barth gewählt. Nach ihrer Amtszeit als Superintendentin war sie ein Jahr als Landesjugendpfarrerin tätig und blieb dann als Gemeindepastorin in Barth. „Ich habe immer viel Wert darauf gelegt, dass alle Mitarbeitenden sich gleichberechtigt fühlen“, blickt Annemargret Pilgrim zurück. Ein bisschen sei so eine Gemeinde mit ihren Mitarbeitenden und der Verwaltung wie ein kleines mittelständisches Unternehmen, findet die Pastorin. Doch zu den wichtigsten Aufgaben in ihrer Dienstzeit zählt sie weniger das Management dieses „Unternehmens Gemeinde“, sondern die ganz persönliche Begleitung Einzelner. „Wenn mir jemand nach vielen seelsorgerlichen Gesprächen sagte, nun sei er neu gestärkt und könne wieder sein Leben meistern, zählte das zu den schönsten Momenten in meinem Berufsleben.“
Kein Stillstehen im Ruhestand
Und was wird Annemargret Pilgrim nun mit dem sogenannten Ruhestand anfangen? Wirklicher Ruhestand im Sinne von Stillstand ist ausgeschlossen, Untätigkeit ist sie nicht gewohnt. Fest steht, dass das Ehepaar Pilgrim zunächst mal einfach eine Zeitlang sein Privatleben genießen möchte. Und dann? „Wir wollen Freundschaften pflegen, vor allem mehr Zeit für die Kinder und Enkel haben“, zählt Annemargret Pilgrim die Pläne auf, die sie mit ihrem Mann geschmiedet hat. „Bestimmt machen wir auch die eine oder andere Reise.“ Einer Sache ist sie sich jedenfalls ganz sicher: „Wir werden auch im Ruhestand im Chor singen, denn ohne Chor können wir nicht!“
Quelle: PEK (sk)