Sprengelbericht Mecklenburg und Pommern auf der Nordkirchensynode Das Evangelium auch durch Bildungsangebote bezeugen
29.09.2016 · Lübeck-Travemünde. Wie die Nordkirche ihre Verantwortung für religiöse und demokratische Bildung im Sprengel Mecklenburg und Pommern wahrnimmt, darüber berichteten die Bischöfe Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald) und Dr. Andreas v. Maltzahn (Schwerin) am Donnerstagabend auf der Landessynode der Nordkirche in Lübeck-Travemünde.
Zwei Fragen standen im Mittelpunkt: Wie werden wir in Mecklenburg-Vorpommern unserer spezifischen Bildungsverantwortung als Nordkirche gerecht? Welche Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen nehmen wir wahr? Beide Bischöfe betonten den Bildungsauftrag, den die Reformatoren vor 500 Jahren stark gemacht haben. Mädchen und Jungen sollen lesen, schreiben und selbstständig denken können.
Eine Ursache für die wachsende Polarisierung und Aggressivität in der Gesellschaft sieht der Schweriner Bischof „in Verunsicherung und mangelndem Selbst-Bewusstsein. Damit meine ich nicht nur die vielbeschworene Sorge vor sozialem Abstieg. In einem viel umfassenderen Sinn sind sich offenbar viele Menschen ihrer selbst nicht sicher – und reagieren aggressiv auf alles, was diese Verunsicherung verstärkt“.
29 Schulen in evangelischer Trägerschaft
Vor diesem Hintergrund sei eine wesentliche Dimension von Bildung – Arbeit an ‚Verwurzelung‘, „Menschen dabei zu begleiten und zu stärken, ‚Wurzeln‘ zu entwickeln, die ihnen Halt für ihr Leben geben“, formulierte Andreas v. Maltzahn. Als kirchliches Handlungsfeld skizzierte er dafür unter anderem die inzwischen landesweit 29 Schulen in evangelischer Trägerschaft – 16 davon unter dem Dach der nordkirchlichen Schulstiftung. Diese Schulen seien genuine Lebensäußerung von Kirche und zugleich öffentliche Schulen. Die Kirche komme damit „ihrem verfassungsgemäßen Auftrag nach, sich allen Menschen zuzuwenden, um ihnen das Evangelium von Jesus Christus zu erschließen“. Mittlerweile geht jeder 10. Schüler in Mecklenburg-Vorpommern auf eine Schule in freier Trägerschaft. „Für viele Eltern sind diese Schulen ein Grund, mit ihren Kindern in diesem Land zu bleiben“, betonte v. Maltzahn und sprach offen an, dass Potentiale noch brach liegen. So berichtete er von der Evangelischen Schule Wismar: „Dort müssen aus Platzmangel jedes Jahr 80 Aufnahmeanträge abgelehnt werden!“ Er sei daher froh, dass die Erste Kirchenleitung und die Kirchenkreise nach einer Lösung suchen, um in Erweiterung und Neubau von Evangelischen Schulen investieren zu können.
Ein weiteres kirchliches Handlungsfeld ist die gemeindepädagogische Arbeit. Was von den Mitarbeitenden Tag für Tag an Verwurzelungsarbeit geleistet wird, sei „unschätzbare Beheimatung im ‚Nicht-Vertrauten‘, in unserer Kirche, im Glauben! Menschen – ob sie zur Kirchengemeinde gehören oder nicht – werden darin bestärkt, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und auch in religiöser Hinsicht zu wachsen“, so Bischof v. Maltzahn. Als Beispiele nannte er die Christenlehre oder die Kinderkirche, Großprojekte wie Kindercamp ,RatzPlatz‘, das ,Sommerspektakel‘ der evangelischen Jugend Mecklenburg im Kloster Tempzin oder die schulkooperative Arbeit, für die es in Mecklenburg-Vorpommern eine eigene Rahmenvereinbarung mit dem Land gibt.
"Lebenshaltungen lassen sich nicht downloaden“
Ebenso zur ,Verwurzelung‘ tragen die Tage Ethischer Orientierung (TEO) für Heranwachsende bei. „Lebenshaltungen lassen sich nicht aus dem Netz ‚downloaden‘, sondern werden im lebendigen Gespräch, in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Werthaltungen und Lebensformen erworben“, so der Schweriner Bischof. Dafür seien verschiedene Module entwickelt worden. Neu gestartet sei jüngst ‚TEO Neuland‘. Dieses Format für und mit Geflüchteten bringt Schüler zwischen 16 und 25 Jahren zusammen, die sich kennen lernen, gemeinsam aktiv sind und so zu einer Gemeinschaft werden. Ebenso spannend sei das Projekt „Führerschein fürs Leben“, das bewusst konfessionslose Jugendliche anspricht und dafür die Zusammenarbeit zum Beispiel mit Berufsbildungswerken sucht.
Bildungsarbeit, speziell im Hinblick auf „Demokratieförderung und Prävention gegen Rechtsextremismus leisten die beiden ‚Regionalzentren für demokratische Kultur‘ der Evangelischen Akademie in Stralsund und Roggentin“, so Bischof v. Maltzahn. Deren Teams würden beispielsweise Akteure in demokratischen Strukturen sowie Mitarbeitende in Kitas, Schulen, Horten und Einrichtungen der offenen Jugendarbeit bei der Vermittlung demokratischer Werte kostenfrei beraten und ihnen den Rücken stärken.
Strukturelle Schwächen beim Religionsunterricht
„Theoretisch gut und praktisch schlecht“ – so fasste Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit die Umsetzung des grundgesetzlich verankerten Religionsunterrichts an den Schulen in MV zusammen. Dies liege aber keinesfalls an den Lehrkräften, die sehr engagiert seien, sondern an strukturellen Bedingungen. Zwar hätten 42 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2013/14 am Religionsunterricht teilgenommen. Dies sei eine vergleichsweise hohe Quote bei nur zwölf Prozent getauften Kindern im Bundesland. Doch könne das Ziel der religiösen Bildung mit nur einer Wochenstunde Religion bei etlichen Stundenausfällen kaum erreicht werden. Auch die Erwartung, zur Wertebildung beizutragen, könne unter diesen Bedingungen kaum eingelöst werden.
Der Bischof kritisierte auch die Sparpolitik des Bildungsministeriums: „Diese führt dazu, dass unter den fest angestellten Lehrern häufig kein Lehrer für Evangelische Religion dabei ist und für dieses Fach Aushilfslehrkräfte gesucht werden. Arbeitslose Lehrer, kirchliche Lehrkräfte oder auch Theologiestudenten werden mit Zeitverträgen ausschließlich der Sommerferienzeit angestellt. Diese Lösung ist für das Land billiger und wird darum gern gewählt. Zu einem guten Religionsunterricht trägt sie nicht bei und sollte abgeschafft werden.“ Abromeit betonte: „Religionsunterricht ist kein Recht der Kirchen, sondern ein Recht der Schülerinnen und Schüler.“
Vom Konfirmandenunterricht in der Gemeinde hin zu Konfi-Camps
Für den Konfirmandenunterricht im Sprengel prognostizierte Bischof Abromeit für die kommenden Jahre einen „fundamentalen Wandel“. Aufgrund der demographischen Entwicklung im dünn besiedelten Bundesland sei der traditionelle Konfirmandenunterricht in der Kirchengemeinde bereits vielerorts verschwunden. Abromeit: „Nicht ohne Schmerz haben wir uns in den ländlichen Regionen von einem wöchentlich stattfindenden Konfirmandenunterricht verabschiedet und setzen auf Möglichkeiten der Regionalisierung und Zentralisierung der Konfirmandenarbeit. Dabei räumen wir der Beteiligung von früheren Konfirmanden, sogenannten Teamern, eine große Rolle ein.“ Teamer, die nach einer zweijährigen Ausbildung Jugendgruppen begleiten und leiten dürfen, übernehmen in den Kirchengemeinden oder bei Konfi-Camps im Evangelischen Schullandheim Sassen bei Greifswald Verantwortung. „Das zarte Pflänzchen des jugendlichen Glaubens braucht die Erfahrung von Relevanz und des ‚Gebraucht-Werdens‘, soll es in einem durchaus rauen Klima gedeihen“, sagte Bischof Abromeit, „die Jugendlichen spüren sehr genau, dass sie hier weder Handlanger noch Feigenblatt sind, sondern dass es auf ihre Kreativität und ihren Einsatz ankommt, soll das Camp gelingen. Es ist ein schöner Erfolg, dass mittlerweile rund 25 Prozent der Konfirmanden die Ausbildung zum Teamer machen“
„Wir tun gut daran“, so das Fazit von Bischof Andreas v. Maltzahn, „den Auftrag unserer Verfassung, das Evangelium auch durch Bildungshandeln zu bezeugen, ernst zu nehmen und Ressourcen dafür einzusetzen“.
Quelle: Nordkirche (cme/ak)